Necroscope 9: WERWOLFSJAGD (German Edition)
aufgestanden bist?« Und indem sie einen Blick auf die Lebensmittel warf: »Komisch, als ich gestern Abend das Essen aufgewärmt habe, dachte ich, du hättest nichts mehr im Haus.«
»Du hast nicht im Tiefkühlfach nachgesehen«, murmelte er und fuchtelte mit den Armen in der Luft. »In den Schränken ...«
Sie zuckte die Achseln. »Ich werde schon etwas zustande bringen.« Während er bereits die Treppe hinaufging, rief sie ihm nach: »Ach, übrigens, du solltest dir eine neue Zahnbürste kaufen. Die, die du jetzt hast, schmeckt scheußlich!«
Fühl dich ganz wie zu Hause! , dachte er. Dabei war ihm klar, dass er sich eigentlich freuen müsste. Weshalb also freute er sich nicht? Weil man ihn überrumpelt hatte und jemand sich in seinem Zuhause breitmachte? Das hier war sein Haus gewesen. Hier konnte er sich geben, wie er wollte, und ihm war egal, wie es aussah. Doch jetzt musste er einen anderen spielen. Und schon wurde er wieder daran erinnert: nämlich dass er tatsächlich ein anderer war! Vielleicht hatte er sogar Schuldgefühle. Nur weshalb, das vermochte er wirklich nicht zu sagen. Schließlich hatte er ja nichts getan. Brenda hatte ihn verlassen ...
Das Frühstück schmeckte vorzüglich. Und zum ersten Mal seit weiß Gott wie langer Zeit fühlte der Necroscope sich auch gut, nun, da ein Großteil seiner Schuldgefühle und Zweifel verflogen war. Doch als der Himmel heller wurde und B. J. sich anschickte, ihn zu verlassen, wich diese Hochstimmung. Denn wenn sie erst weg war, würde er wieder nichts mehr zu tun haben und seine Gedanken würden sich erneut im Kreis drehen ...
... Vielleicht aber auch nicht. Denn wie es aussah, hatte er nun doch noch einiges zu erledigen. Irgendwo in seinem Hinterkopf war da etwas, er kam im Moment nur nicht darauf, weil B. J. ihn ablenkte. Aber er wusste, dass es ihm wieder einfallen würde, wenn er sich nur konzentrierte.
»Ich werde eins der Mädchen anrufen«, riss B. J. ihn aus seinen Gedanken. »Sandra. Sie soll mich abholen, wenn sie zur Arbeit geht. Sie wohnt nicht weit von hier.«
»Sicher, wenn du möchtest«, erwiderte Harry.
Sie war zufrieden. Nun war sie überzeugt, dass dies wirklich sein Haus und nicht lediglich eine konspirative Wohnung der Leute war, für die er früher gearbeitet hatte. Denn in letzterem Fall würde er sicher nicht wollen, dass jemand davon erfuhr. Doch nein, er passte hierher. Das ganze Anwesen trug Harrys Handschrift.
»Oder kann ich ein Taxi rufen?«
»Was immer du magst.« Er zuckte die Achseln. »Ich rufe dir eins, wenn du möchtest. Wie es dir am besten passt. Aber vergiss nicht, wo ich wohne, okay?«
Damit wusste B. J. Bescheid. »Es ist also mehr als bloß ein
One-Night-Stand?« Während sie seine Antwort abwartete, wählte sie eine Nummer und sprach kurz mit jemandem am anderen Ende der Leitung, ehe sie den Hörer auflegte und sich erneut Harry zuwandte.
Wie er so neben ihr stand, wirkte er mit einem Mal wieder niedergeschlagen. »Eigentlich sollte es das wohl sein«, sagte er. »Ein One-Night-Stand, meine ich. Oder besser, lieber gar nichts. Es hätte überhaupt nicht passieren dürfen. Aber es ist nun mal geschehen, und jetzt bin ich, offen gesagt, völlig durch den Wind und kriege nichts mehr auf die Reihe. So sieht es aus: Ich bin absolut durcheinander!«
Sie nickte. »Na ja, ich glaube, mir geht es genauso. Aber ich sage dir besser von vornherein, Harry Keogh: Ich halte nichts von Dreiecksgeschichten und habe nicht vor, ewig nur ›die andere‹ zu spielen. Das ist nicht mein Ding und ganz gewiss nicht mein Stil!«
Harry schüttelte den Kopf. »Das war keine schnelle Nummer, jedenfalls nicht für mich. Es ist nur so, dass ich mir über meine Gefühle nicht mehr im Klaren bin. Vor einem Augenblick war ich es noch, und jetzt nicht mehr. Und was Brenda und meinen Sohn angeht: Bei dieser Suche handelt es sich um etwas, was ich einfach tun muss, auch wenn ich weiß, dass ich Brenda niemals finden werde. Oh, vielleicht könnte ich die beiden ausfindig machen ... aber zu ihr werde ich nie mehr finden. Brenda weiß nicht mehr, wer ich bin.«
»Ich auch nicht.«
»Aber die Zeit arbeitet für uns«, sagte Harry.
»Die Zeit?«, meinte sie erstaunt. »Vom One-Night-Stand zu einer langfristigen Beziehung – und das alles innerhalb eines Wimpernschlags?«
»Ich sagte dir doch, dass ich durcheinander bin.«
Er tat B. J. beinahe leid. Ihr war klar, weshalb er so verwirrt war, wenigstens teilweise. Sie beugte sich über ihn und
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