Necroscope 9: WERWOLFSJAGD (German Edition)
hasste, mit ihm, allen voran Nonari Grobhand.
Damals hätten sie es ein für alle Mal regeln können, aber sie waren Fremde in dieser Welt und hatten ohnehin schon mit genügend Schwierigkeiten zu kämpfen. Also ging jeder seiner Wege; Radu zog hinaus in die Welt, und Nonari ... tat was auch immer. Aber für den Tod seines Vaters Lagula und seines Onkels Rakhi hatte Nonari Radu, dessen Kindern und Kindeskindern und allen, die von ihm abstammten, bis in alle Ewigkeit Rache geschworen, den flammenden Eid eines Lords der Wamphyri! Also blieb Radu durch die Jahrzehnte und Jahrhunderte hindurch wachsam und hielt stets ein Ohr offen für den Fall, dass es etwas über Nonari Ferenczy gab.
Und er hörte manches.
Zum Beispiel dass ein gewisser »Onarius Ferengus«, römischer Gouverneur einer kleinen Provinz am Schwarzen Meer, um das Jahr 445 von der Hand unbekannter Barbaren gefallen war. Das war zu der Zeit, als Radu noch für die Vandalen kämpfte, ehe diese sich gegen ihn wandten und ihn aus Italien vertrieben. Er hörte aber auch, dass dieser Onarius in den Bergen im Norden Moldawiens, an einem Ort namens Khorwatei, einen Sohn hatte. Und der Name dieses Sohnes war Belos Pheropzis.
Im Lauf der Jahre stellte Radu, wenn seine Zeit und seine Reisen es erlaubten, Nachforschungen an, brachte allerdings nur wenig in Erfahrung. Hundert Jahre später, als er bereits ein Wojwode im östlichen Teil der Karpaten war, versuchte er sogar, das Schloss dieses Belos Pheropzis ausfindig zu machen. Doch es kam etwas dazwischen, seine Pflichten riefen ihn weg, und die Suche wurde aufgeschoben. Erst Jahrhunderte später stieß er zufällig auf die Burg in der Khorwatei, fand sie aber verlassen und verfallen vor. Glücklicherweise bewahrte die Bevölkerung jener Gegend schriftliche Aufzeichnungen, und man erinnerte sich.
Belos Pheropzis war ein großer und schrecklicher Bojar gewesen und seine Bergfestung abgelegen und nahezu uneinnehmbar, wie Radu feststellte. Auch Belos hatte einen Sohn gehabt, Waldemar Ferrenzig, und eine Tochter, die nie einen Fuß vor das Schloss setzte. Es gab Gerüchte, dass Belos mit ihr schlief, eine nicht ungewöhnliche Praxis unter den Wamphyri.
Belos kam im Kampf mit einem Trupp bulgarischer Plünderer ums Leben. Seine Burg blieb unversehrt, doch er fand den Tod; desgleichen die überlebenden Bulgaren, die einer von Waldemar entfesselten Steinlawine zum Opfer fielen. Und danach schlief Waldemar mit seiner Schwester ...
Waldemar hatte zwei Söhne (einer von ihnen womöglich sein Ei-Sohn, wer weiß? Die Blutlinien der Wamphyri sind nicht minder verschlungen als ihre Geschichte. Auch was ich dir bisher erzählt habe, beruht lediglich auf Hörensagen und ist letztlich nicht bewiesen). Mindestens einer muss Waldemars Blutsohn gewesen sein, wahrscheinlich mit seiner Schwester. Nun, bei einem Streit brachte der eine den anderen um und der Überlebende erbte das Schloss von Waldemar. Aber was nun aus Waldemar selbst wurde ... davon habe ich nicht die geringste Ahnung.
Derjenige der beiden Brüder, der das Schloss in der Khorwatei übernahm, hieß Faethor, und er nahm den ursprünglichen Familiennamen wieder an: Faethor Ferenczy ...
B. J. hielt inne, als Harry ein Schauer überlief und sein Körper sich unwillkürlich verkrampfte. Sie hatte keine Erklärung dafür. Er sah aus wie jemand, der kurz vor dem Einschlafen noch einmal zusammenzuckt, was einen dann oft genug wieder aus dem Schlaf reißt. Allerdings schlief Harry ja nicht, sondern befand sich in einem Zustand tiefster Hypnose, und eine derartige Reaktion hatte B. J. noch nie erlebt.
Sie spürte, dass er regelrecht zitterte. »Ist dir ... kalt?« Indem sie sich über ihn kniete, stocherte sie in der Asche und legte etwas Anmachholz und einen kleinen Scheit auf die noch nicht erloschene Glut. Mittlerweile hatte Harry sich wieder beruhigt, und sie konnte fortfahren:
Faethor war ein merkwürdiger Zeitgenosse. Es kam vor, dass er jahrzehntelang keinen Fuß vor seine Burg setzte, doch jedes Mal lockte ihn das Blut schließlich wieder nach draußen, und dann zog er los und ging in einer von Kriegswirren geschüttelten Welt auf Abenteuer aus. In den zweihundert Jahren vor dem vierten Kreuzzug benutzte er jede Menge Pseudonyme. So nannte er sich erst »Stefan Ferrenzig«, dann »Peter«, »Karl« und »Grigor«. Immer wieder wurde er zu seinem eigenen Sohn, denn ihm war klar, dass er unter gewöhnlichen Menschen nicht zu lange leben durfte, und schon gar nicht
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