Necroscope 9: WERWOLFSJAGD (German Edition)
selbst anzapfen. Wie Sie sehen, hat Ihr Fahrer recht: Das Blut ist das Leben ...«
Bei diesen Worten trat ein rot gewandeter Priester aus den Schatten, und Drakesh wandte sich dem bebenden Unteroffizier zu. »Gehen Sie mit dem Bruder hier! Er wird sich darum kümmern, dass sie es bequem haben.« Nachdem die beiden gegangen waren, trat er zur Seite und führte den Major in seine Gemächer ...
Daham Drakesh befand sich seit einhundert Jahren hier. Damals schien dies der einzige Ort der Welt zu sein, für den sich niemand interessierte. Doch heutzutage wollten die Menschen alles haben, ganz gleich wo, selbst eine so karge Einöde wie dieses Plateau.
Als er hier ankam, gab es nur die ummauerte Stadt und deren Bevölkerung, sonst nichts. Gut zwanzig Jahre später war es eine verbotene Stadt und die Menschen versklavt, und weitere zwanzig Jahre später war der Großteil von ihnen beim Bau des »Klosters« umgekommen. Drakesh fand Gefallen daran, als Kloster zu bezeichnen, was in Wirklichkeit eine Feste war. Was nun die Überlebenden jener gewaltigen Aufgabe betraf: Ihre Nachkommen waren Drakesh in seinem Horst, an einem der höchsten, abgelegensten Orte der Welt, noch immer hörig. Allerdings war er nicht abgelegen genug.
Selbst der mächtige Quomolangma, der Mount Everest, jener gigantische Reißzahn in zweihundert Kilometern Entfernung, war nicht abgelegen genug. Die Menschen hatten ihn bezwungen; von weit her, aus fremden Ländern, waren sie gekommen, um auf seinem Gipfel ihre Fahnen zu hissen. Für gewöhnlich stammten sie aus dem Westen; in den alten Zeiten hingegen waren sie auch aus dem Osten gekommen. Allerdings hatten diese frühen Eroberer kaum Interesse für den Everest gezeigt.
Die Geschichte wiederholt sich. Jetzt kehrten die schlitzäugigen Krieger wieder. Nicht die Hsiung-nu und auch nicht die Hunnen oder Awaren, gewiss jedoch Abkömmlinge von ihnen, die ebenso wild waren. Doch schlugen sie einst einen Bogen um die gewaltige Hochebene, hatten sie sie nun eingenommen. Nun ja, auch Daham Drakesh, Letzter seiner Blutlinie, war ein Fremder – in ihm floss wahrhaft fremdes Blut, aye! Es war nicht das erste Mal, dass jemand seines Schlages überrannt wurde und unter fremde Herrschaft geriet, ja eine verheerende Niederlage erlitt. Doch nie konnten die menschlichen Invasoren sie völlig vernichten. Und auch diesmal würde es ihnen nicht gelingen!
In Dakien, Eflak, der Walachei und Transsilvanien war es damals genauso gewesen (ebenso an ihrem »Ursprungs-Ort«, ganz gleich unter welchem Namen die Geschichte ihn nun verzeichnete). Das wusste Daham von seinem Ei-Vater, Egon, der all die Jahrhunderte voller Kriegswirren erlebt hatte und ein Meister im Überleben geworden war, der Älteste aller Wamphyri ... nun ja, der Zweitälteste:
Immer wieder hatten Reitervölker aus dem Osten die Vampir-Lords aus ihren angestammten Gebieten vertrieben, meist dann, wenn diese sich am sichersten gefühlt hatten. Und nun? Sollte das Gleiche jetzt wieder geschehen? Nicht wenn es nach Daham Drakesh ging.
Vor einhundert Jahren war er hierhergekommen, um Distanz zwischen sich und das Treiben seines Vaters zu legen. Der »Graf« langweilte sich in der Abgeschiedenheit seiner transsilvanischen Feste, zudem hatte er erfahren, dass einer seiner alten Erzfeinde an einem geheimen Ort irgendwo im Westen schlief. Also beschloss er, sich in die Welt hinauszuwagen und seinen Horizont zu erweitern. Schon viel zu lange hatte er im Verborgenen gelebt.
Daham Drakul (nun Drakesh), Egons »Sohn« aufgrund der Übertragung von dessen Ei, musste zurückbleiben, um in der Feste nach dem Rechten zu sehen. Damit hatte er das Sagen über eine Handvoll leibeigener Zigeuner und Knechte der Szgany Szekely. Ha! Was für eine Macht!?
Doch einem Vampir wird der Verrat bereits in die Wiege gelegt, und niemand hasst einen vampirischen Gebieter, einen Lord der Wamphyri, mehr als dessen eigen Fleisch und Blut, der eigene Ei-Sohn. Weil Daham nun über Egons Ei verfügte und der Egel in seinem Innern sich immer weiter entwickelte, war er bereits ein Wamphyri; und bald würde er auch selbst ein Lord sein. Allerdings nicht in Transsilvanien, nicht im Schloss eines anderen Lords. Deshalb musste er weg von dort, weit weg, und eine eigene Feste finden oder erbauen. Er nahm nichts weiter mit als eine Handvoll Erde von der Sternseite (die ihm rechtens seiner »Geburt« zustand) und sechs Szgany-Knechte, die er vampirisiert und zu Leutnanten gemacht hatte. Oh, und
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