Necroscope 9: WERWOLFSJAGD (German Edition)
HIERHERKAM – OHNE EINLADUNG. ES GIBT NUR EINEN EINZIGEN WEG NACH DRAUSSEN, UND DEN WIRD ER VERSPERRT FINDEN, DESSEN BIN ICH MIR SICHER! UND IRGENDWANN ... AH, ES WIRD MIR EINE FREUDE SEIN, MICH DAS NÄCHSTE MAL ETWAS EINGEHENDER MIT IHM ZU UNTERHALTEN! OH, HA HA HAAAA!
Mit einem Mal überkamen Harry Schwindel, Übelkeit und dieselbe Verwirrung, die ihn am Nachmittag zuvor befallen hatte und ihn so hilflos auf die Straße unterhalb der Manse Madonie hinausstolpern ließ! Diesmal jedoch wusste er, worum es sich handelte. Die telepathische Kraft des Wesens in jener stinkenden Grube – von Angelo Ferenczy beziehungsweise dem, was aus ihm geworden war – war beängstigend.
Der Necroscope hatte nur noch einen Gedanken: sich in Sicherheit zu bringen. Ihm war klar, dass die zahllosen Geister der Toten, die das Ding verschlungen hatte, recht hatten: Er sollte weglaufen und machen, dass er hier rauskam, und zwar so schnell wie möglich!
Harry wankte durch die immer dichter werdenden gelben Schwaden von der Grube zurück und beschwor ein Möbiustor herauf. Dazu bedurfte es einer ungewohnten Anstrengung ... das Gas brannte ihm in den Augen, in der Lunge. Die Toten riefen ihm etwas zu, sagten, er solle weglaufen, laufen, und der uralte, grässlich verwandelte Ferenczy riss die geistige Abschirmung des Necroscopen in Fetzen, als handle es sich um dünnes Papier.
Harry wurde von Panik übermannt. Er war völlig durcheinander. Vor seinem geistigen Auge sah er gleich ein halbes Dutzend Koordinaten, lauter Orte, an die er entfliehen konnte. Zum Beispiel in seine alte Wohnung in Hartlepool; oder besser noch, auf den dortigen Friedhof, denn die Wohnung dürfte mittlerweile wohl wieder vermietet sein ... oder (das Nächstliegende) sein Hotelzimmer in Paterno ... oder auch sein Arbeitszimmer, sein Garten oder das Schlafzimmer in seinem Haus in Bonnyrigg ... Allerdings kam ihm jedes Mal, wenn er daran dachte, B. J. Mirlu in den Sinn. Es war alles so verwirrend!
Die Bilder tauchten automatisch, instinktiv, im Geist des Necroscopen auf; ohne weitere Erklärung verrieten sie so gut wie gar nichts. Doch das Mädchen – der Geist der jungen Frau, die ihre Qualen noch so frisch in Erinnerung hatte – schnappte eines dieser Bilder auf und klammerte sich daran.
Bonnie Jean! , schrie sie auf. B. J. Mirlu hat dich geschickt!
Und da sie ja ein Teil von Angelo Ferenczy war, vernahm auch dieser, was sie sagte. MIRLU? RADU LYKANS KNECHT? DIESER KERL HIER GEHÖRT ZU ... RADU? Das nackte Entsetzen durchfuhr ihn! Seine mentalen Sonden ließen von Harry ab und wurden zurückgezogen, wanden sich von ihm weg, als sei er mit einem Mal glühend heiß. Und in gewisser Weise hatte Angelo ja auch recht: Harry war Radus Knecht.
Verschwinde! , schrie das Mädchen. Mach schon! Du kannst mir nicht helfen. Keiner kann das. Also verschwinde endlich, solange du noch kannst. Und sage B.J. – sag ihr ...
Harry sollte niemals erfahren, was er B. J. mitteilen sollte, denn in diesem Augenblick setzte Angelo seine ganze telepathische Macht ein, um die Vielzahl der kreischenden Stimmen zum Schweigen zu bringen; und mit einem Mal herrschte im psychischen Äther ebenso tiefe Stille wie im Weltraum.
Doch auch der Necroscope befand sich mittlerweile im leeren Raum, und zwar dem des Möbius-Kontinuums, wo er für eine scheinbar endlose Zeit ziellos umhertrudelte, ehe aus den wirbelnden Tiefen seines metaphysischen Geistes eine Koordinate auftauchte, zu deren Ursprung er floh: in sein Hotelzimmer in Paterno ...
Harry erwachte aus einem Albtraum, den er sofort wieder vergaß. Sein Kopf schmerzte zum Zerplatzen, er war schweißgebadet und zitterte. Er kämpfte mit der Übelkeit und blieb reglos liegen. Im Licht der Nachttischlampe ließ er den Blick über seine Umgebung schweifen. Das Hotel, ja. Sein Zimmer im Hotel Adrano. In Paterno. Sizilien. Mit einem Mal überfiel ihn die Erinnerung, es war alles wieder da – jedenfalls fast alles: die Manse Madonie, die Schatzkammer, das Tränengas und ... das Geld!
Mit einem Satz war er aus dem Bett, so schnell, dass sich alles um ihn drehte und er ins Wanken geriet. Seine Kleider stanken nach Gas. Gott – kein Wunder, dass ihm schlecht war! Er hatte sein eigenes Tränengas abbekommen! Und das Geld ... war das Wirklichkeit? Nichts kam ihm wirklich vor; alles schien eher wie die Bruchstücke eines Traumes, so als fehle irgendetwas. Was war sonst noch neu? Von dem Moment an, als er an diesen verdammten Ort gelangt war, hatte
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