Necroscope 9: WERWOLFSJAGD (German Edition)
meinte abermals: »Wir sollten Guy Cavee noch mal kommen lassen!«
Toni zuckte die Schultern. »Er weiß nichts. Ein Blick in sein Gesicht sagt doch alles: Er glaubt, er habe eine Belohnung verdient, weil er sofort reagierte!«
»Eine Belohnung!«, knurrte Francesco.
»Und die Kameras sind hin.« Toni ließ sich tiefer in seinen Sessel sinken. »Da drin war es ziemlich heiß.«
»Nicht unbedingt!«, entgegnete Francesco. »Sie glauben, dass sie eine wieder hinbekommen – oder wenigstens den Inhalt. Wir können zumindest hoffen, dass wir eine Aufnahme von diesem Hund haben!«
»Wir haben doch Cavees Beschreibung.«
»Ha!« , schnaubte Francesco. »Was, eine richtige Beschreibung? Wenn er mit denen unter einer Decke steckt? Und wenn nicht, was ist seine Beschreibung überhaupt wert? Gesicht und Körperbau, von schräg oben an der Decke verzerrt auf einem Schwarz-Weiß-Bildschirm wahrgenommen!?«
In Toni kam Bewegung. Er erhob sich. »Du weißt selbstverständlich, dass Er schon die ganze Zeit über schreit? Das Gas ist bis ganz nach unten zu ihm gelangt. Und immerhin stellt er nach wie vor unseren größten ›Schatz‹ dar. Denn wo wären wir ohne ihn?«
»Natürlich habe ich ihn gehört, ja«, grollte Francesco. »Man konnte ja gar nicht anders! Ausgerechnet jetzt muss er in einem fort toben und sich über diesen dämlichen Radu aufregen!« Dabei war ihm klar, dass es für seinen Bruder weit schlimmer gewesen sein musste, denn Antonio stand ihrem Vater näher als er. Schlagartig veränderte sich Francescos Miene. Indem er sich umwandte, um seinen Bruder anzusehen, kniff er die Augen noch enger zusammen, sodass sie nur mehr zwei rot glühende Schlitze in seinem finsteren Gesicht waren.
»Oh?«, machte Toni, fragend.
»Mit irgendjemandem müssen wir ein Exempel statuieren«, knurrte Francesco. »Wir dürfen nicht dastehen, als ... könnten wir nichts tun, wie du es ausdrücktest. Unser teurer Vater ist stets hungrig. Und sollte Guy Cavee irgendetwas darüber wissen ...«
»Er ist ein Leutnant«, gab Toni zu bedenken. »Ein nachrangiger zwar, aber ...«
»Nein, er ist unser Exempel! «, schnitt Francesco ihm das Wort ab. Er grinste düster. »Ein sehr wichtiges Exempel! Wir können jederzeit jemand anders zum Leutnant erheben, aber ein besseres Exempel werden wir niemals finden!«
Abermals zuckte Toni die Schultern. »Nun ja, wenigstens sitzen wir dann nicht untätig herum. Und irgendetwas müssen wir tun, das stimmt schon. Ich kann allerdings nicht sehen, dass wir damit einer Lösung irgendwie näher kommen. Aber da du nun einmal so fest entschlossen scheinst ...« Widerwillig neigte er den Kopf zu einem Nicken. »So sei es ...«
Um 11.30 saß der Necroscope auf seinem Fahrrad und fuhr durch eine herrliche, ungezähmte Landschaft irgendwo westlich von Edinburgh. Er trug seinen Trainingsanzug, der Rucksack auf seinem Rücken enthielt ein Paar anständiger Kletterschuhe und ein bisschen Kleidung zum Wechseln; ansonsten ging er davon aus, dass B. J. sich um den Rest kümmern würde. Er selbst hatte ebenfalls bereits einiges erledigt und den Rat eines Experten eingeholt oder doch zumindest dafür gesorgt, dass er jederzeit Zugang dazu haben würde.
Da er in den Bergen nicht als kompletter Idiot dastehen wollte, hatte er heute Morgen auf einem der Friedhöfe von Bonnyrigg mit den Toten gesprochen und sich ein paar Tipps geben lassen. Der Mann, nach dem er suchte, befand sich auf einem Friedhof in Dalkeith. Harry hatte sich über das Möbius-Kontinuum dorthin begeben und sich auf seine gewohnte Art vorgestellt und, nachdem die Aufregung sich etwas gelegt hatte, sein Anliegen erklärt. Nun würde er an einem Steilhang zurechtkommen; damit fühlte er sich schon wesentlich besser.
Der Tote, mit dem er sich unterhalten hatte, war einst ein Kletterer der alten Schule gewesen. Zwar kein Bergsteiger im eigentlichen Sinn, aber zu Lebzeiten hatte er sich hier in der Gegend immerhin einen Ruf als Felsenkletterer erworben, dem weit und breit niemand das Wasser reichen konnte. Damals gab es noch keine Nylonseile, Necroscope, erklärte er Harry. Und ich wär lieber tot umgefallen – entschuldige den Ausdruck –, als mich mit Hammer und Haken erwischen zu lassen. Mein Gott, nein! Dieser Scheiß war für die sogenannten »Profis«. Ich war kein Profi – aber, Mann, ich bin die steilsten Felswände ’rauf wie ein Affe! Wenn ich jetzt so zurückdenke – über achtzig Jahre ist es her, ich weiß gar nicht so recht, wie
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