Necroscope 9: WERWOLFSJAGD (German Edition)
nicht auch mal für uns einsetzen. Bisher haben wir ihnen Informationen verkauft, weshalb also nicht einmal etwas zurückkaufen? Wir selbst brauchen gar nicht in Erscheinung zu treten, jedenfalls nicht zu sehr. Die CIA und der KGB können das für uns erledigen. Unser Vater meint, dieser Harry sei kein gewöhnlicher Mann ... Ha! Als hätten wir dafür nicht schon genügend Beweise! Aber das muss doch auch heißen, dass es irgendwo etwas über ihn gibt!?«
»Gut!«, zeigte Toni sich begeistert. »Am besten, du schickst sofort Kopien dieser Fotografien los. Falls irgendjemand etwas über ihn weiß, werden wir es erfahren. Unterdessen kümmere ich mich um die Sicherheitsvorkehrungen. Wir haben ein ganzes Netz an Kontakten, Bruder, und das sollten wir nutzen. Aber so, dass kein Mensch etwas davon merkt! Ich betone noch einmal: Die Welt darf nichts von unserem geheimen Krieg wissen oder auch nur etwas ahnen. Denn sollten sie etwas mitbekommen, würden sie uns – uns alle – mit aller Gewalt bekämpfen! Unser Vater ist der Ansicht, es dauert noch zwei, drei Jahre, bis Radu Lykan wieder erwacht. Dann wird er am schwächsten sein, in der Stunde seiner Auferstehung. Nun, zwei, drei Jahre sollten genügen, ihn ausfindig zu machen. Also noch einmal: Mit Bedacht vorgehen, heißt die Devise! Und wir sollten auf Nummer sicher gehen, dass, was auch immer unter die Räder kommt, wir nicht dazugehören ...«
Eines Morgens erwachte der Necroscope Harry Keogh in seinem Haus am Rande von Bonnyrigg und stellte fest, dass zwei Jahre verstrichen waren. Natürlich hatte er mitbekommen, wie die Zeit verging; dennoch überraschte es ihn. Von Herbst zu Herbst und wieder zu Herbst, als läge nur eine einzige Nacht dazwischen. Er sah es an den Blättern. Allmählich nahmen sie wieder dieselbe Farbe an wie damals, als er zum ersten Mal mit B. J. klettern gegangen war.
Zwei Jahre? War das schon so lange her? Vielleicht war es ja nur eins!
Verwirrt schaute er in seinem Kalender nach, obwohl er wusste, was er dort finden würde. Zwei Jahre, ganz recht!
Und abermals machte er sich Gedanken über sein nachlassendes Gedächtnis. Alzheimer? Gott, nein! Dafür war er doch noch viel zu jung! Ein Nachhall von Alec Kyles Talent und all seinen Problemen? Glich Harrys Gehirn die flüchtigen Blicke in die Zukunft aus, indem es dafür Bruchstücke seiner Vergangenheit einbüßte? Aber Kyles »Probleme« – insbesondere das Trinken – waren verschwunden, hatten sich der stärkeren Persönlichkeit Harrys untergeordnet oder waren mit ihr verschmolzen; und Kyles zweifelhaftes Talent hatte sich – bislang jedenfalls – auch nicht mehr gemeldet.
Aber zwei Jahre! Während Harry sich anzog, versuchte er, sich diese Zeit ins Gedächtnis zu rufen. Er war ein bisschen seiner Suche nachgegangen – nach seiner Frau und dem Kleinen selbstverständlich. Nur mittlerweile ... vergaß er mitunter bereits, wie Brenda ausgesehen hatte; und dies lag nicht an seinem Gedächtnis. Jedenfalls nicht am Langzeitgedächtnis.
Er sah sie als junges Mädchen vor sich, in Harden an der Küste; in den Schulferien ... am Strand ... in den Wäldern ... bei langen Spaziergängen ... ihre ersten unbeholfenen Versuche, einander zu lieben. Danach nichts mehr. Es war Trauer, doch das wusste Harry nicht. Es war, als wäre Brenda gestorben und als habe sein Geist eine Möglichkeit gefunden zu vergessen. Zu vergessen, wie sie sich anfühlte, wenn sie in seinen Armen lag, wie er sich gefühlt hatte, wenn er in ihr war. Ihre Zeit als Erwachsene, das, was von Bedeutung war, war wie weggeblasen. Er hatte es verdrängt, einfach vergessen – und sei es auch nur, um nachts, wenn er allein war, Schlaf zu finden.
Und was den Kleinen betraf: nichts. Er wusste nicht einmal mehr, wie er aussah, konnte sich an keinen einzigen seiner Züge erinnern. Sahen denn, außer für die Mutter, nicht alle Babys gleich aus? Ein Baby ist ein Baby. Und, zum Teufel noch mal, Harry Junior war überhaupt kein Baby mehr (war er jemals eins gewesen?). Er war jetzt ein Kleinkind, fast vier Jahre alt – aus der Sicht seines Vaters verlorene Jahre. Harry fragte sich, ob er Harry Junior und dessen Mutter überhaupt noch erkennen würde, sollte er ihnen zufällig auf der Straße begegnen.
Aber immerhin hatte er seine Suche fortgesetzt – ganz persönlich und vollkommen unabhängig von den Heerscharen an Privatdetektiven, die nun an seinem Fall arbeiteten. Die englische Westküste von Maryport bis Blackpool ... der River
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