Necroscope 9: WERWOLFSJAGD (German Edition)
überlebenden Angehörigen der sowjetischen ESP-Organisation mochten Harry zwar für tot halten, dennoch würden sie von nun alles, was ihre britische Gegenseite unternahm, mit Argusaugen verfolgen.
Es war sogar möglich (nicht sehr wahrscheinlich, aber auch nicht auszuschließen), dass die Russen bereits über den »neuen« Necroscopen des britischen E-Dezernats Bescheid wussten. Und das würde ihnen mit Sicherheit Sorge bereiten! Wie, der einstige Leiter des E-Dezernats, Alec Kyle, war wieder im Dienst? Weder hirn- noch sonst irgendwie tot und auch nicht bei der Explosion des Schlosses Bronnitsy in Stücke gerissen; stattdessen lebte er gesund und munter in England? Keineswegs in einem nekromantischen Experiment auf einem Operationstisch aller Intelligenz beraubt und auch nicht in einem Inferno unglaublichen Ausmaßes zu Brei zerquetscht, sondern putzmunter und bei klarem Verstand arbeitete er wieder mit seinen ehemaligen Kollegen in London zusammen? Guter Gott! Mittlerweile mussten sie doch jeden Engländer für unverwundbar halten ... und natürlich würden sie wissen wollen, woran das lag! Und wie die Briten das anstellten ...
Darcy musste über das, was ihm da durch den Kopf ging, grinsen. Wenn jemand wusste, wozu der Necroscope in der Lage war, dann doch er. Aber das Grinsen erstarb auf seinem Gesicht, als er überlegte, welche Möglichkeiten es außerdem noch gab.
Angenommen, die Russen wussten von nichts und hatten den Angriff des Necroscopen noch nicht verwunden – dann gab es immer noch genug andere ESP-Dienste auf der Welt und es war durchaus vorstellbar, dass Harry denen in die Hände fiel.
Und abgesehen von Gedankenspionen gab es auch zur Genüge kriminelle Syndikate und Terrororganisationen. Harry würde einen hervorragenden Dieb, Attentäter oder Terroristen abgeben! Kein Hindernis, keine Grenze und keine Mauer vermochte ihn aufzuhalten; er konnte beinahe nach Belieben verschwinden. Die zahllosen Toten standen in seiner Schuld und würden im wahrsten Sinne des Wortes vor nichts zurückschrecken, um ihn zu beraten und zu schützen. Das Wissen der gesamten Welt lag in der Erde begraben oder hatte sich in Rauch aufgelöst und war wie eine gewaltige, unendliche Enzyklopädie, die nur darauf wartete, dass Harry kam, um etwas nachzuschlagen. Falls ihm die Zeit dazu blieb, die er im Moment aufgrund seiner Suche nicht hatte.
Oh ja, es gab gleich Dutzende krimineller Elemente, für die Harry einen unschätzbaren Gewinn darstellen würde. Und es war durchaus möglich, dass das Verschwinden von Harrys Frau und Kind irgendwie mit einer derartigen Organisation zusammenhing. Aus ebendiesem Grund arbeitete das E-Dezernat ja mit voller Kraft daran, ihren Aufenthaltsort ausfindig zu machen. Oh, sie taten es auch für Harry, der bereits so vieles für sie, wenn nicht für die ganze Welt getan hatte, aber sie taten es auch für sich selbst, für das »Gemeinwohl«. Und eben wegen dieses Gemeinwohls hatte Darcy Dr. James Anderson hinzugezogen.
Anderson war der Beste seines Faches, es gab keinen Besseren, ein Hypnotiseur, dem, soweit bekannt, landesweit niemand das Wasser reichen konnte. An Patienten, die im Bann von Andersons unheimlichen Augen standen, hatten Chirurgen ohne Narkose die schwierigsten Operationen ausgeführt; Frauen mit besonders schweren Schwangerschaften hatten ihre Kinder völlig schmerzfrei zur Welt gebracht und selbst bei traumatisierten und schizoiden Fällen hatten sich die Wahnvorstellungen und Persönlichkeitsstörungen unter Andersons heilendem Blick gelegt. Weitaus wichtiger für Darcys Zwecke war jedoch, dass Anderson ein Meister der Posthypnose war.
Darcys Gedanken schweiften zurück in jene Nacht ...
Als sie mit Hilfe eines Generalschlüssels Harrys Zimmer betraten, schlief der Necroscope bereits tief und fest. Bei der Pille, die Darcy ihm verabreicht hatte, handelte es sich zwar um eine Schlaftablette, allerdings um eine ganz besondere. Sie war aus gelbem Mohn gewonnen, wie er nur im Orient vorkam, also einem Opiat – dessen Hauptbestandteil sich so auswirkte, dass er den Geist des Betroffenen für Suggestionen empfänglich machte, während dieser einfach weiterschlief. Darauf konnte der Hypnotiseur in die Träume seines Probanden, in dessen Unterbewusstsein eindringen und diejenigen posthypnotischen Befehle implantieren, nach denen der Betreffende anschließend handeln sollte. Lange nachdem die Wirkung der Droge verflogen war, würde dieser die Befehle auch im Wachzustand wie
Weitere Kostenlose Bücher