Neferets Fluch ( House of Night Novelle )
und Glöckchen. Aus dem Tempel erklangen sonore, rhythmische Trommelschläge, und Neferet hob anmutig die Arme und begann ihre Hüften im Takt der Musik zu schwingen.
Ich hatte noch niemals eine so schöne oder so kühne Frau gesehen. Sie lächelte nicht. In der Tat schienen der kühle Blick ihrer dick mit schwarzer und goldener Farbe umrandeten Augen und ihre schamlose Aufmachung vielmehr die Menge der Zuschauer zu verspotten. In der kleinen Vertiefung ihres Nabels ruhte ein kleiner roter Edelstein.
»Emily! Da bist du ja. Mutter sagte, sie habe dich verloren. Unsere Gruppe ist längst weitergegangen. Dein Vater würde sicher sehr zornig werden, wenn er erführe, dass du hiergeblieben bist, um die unzüchtige Darbietung dieser Frau zu sehen.«
Ich sah auf. Arthur betrachtete mich mit gerunzelter Stirn. Als ich mich umblickte, erkannte ich, dass er recht hatte – seine Mutter, die restlichen Damen, ja unsere ganze Schar war nirgends zu sehen.
»Oh! Ich habe nicht bemerkt, dass ich zurückblieb. Danke, dass du mich gefunden hast, Arthur.« Ich nahm seinen Arm, doch während er mich wegführte, schielte ich noch einmal zu Neferet zurück. Ihr dunkler Blick begegnete meinem, und sehr deutlich hörte ich sie hochmütig lachen. Ich weiß noch, dass ich in jenem Moment dachte: Neferet würde niemals zulassen, dass ein Mann sie herumführte oder ihr Befehle gäbe, was sie zu tun hätte!
Doch ich war nicht Neferet. Ich war die Königin von gar nichts, und ich ließ mich lieber von Arthur Simpton herumführen als von meinem Vater tyrannisieren. Also klammerte ich mich an Arthur, sagte ihm, wie gut es sei, ihn zu sehen, und wie schrecklich ich ihn vermisst hätte, und hörte zu, wie er lang und breit erzählte, wie aufregend unsere bevorstehende Verlobung für seine Eltern und ihn sei und dass er überhaupt kein bisschen nervös sei – wobei sein ausschweifender Wortschall seine Beteuerungen Lügen strafte.
Es begann schon zu dämmern, als wir unsere Gruppe am Fuß jenes gigantischen, fantastischen Rades wiederfanden, das Arthur zufolge die Erfindung eines gewissen Mr. Ferris war.
»Emily, da bist du ja!«, rief Mrs. Simpton und winkte uns zu. Entsetzt sah ich, dass sie neben Vater stand. »Oh, Mr. Wheiler, habe ich Ihnen nicht versichert, dass unser Arthur sie finden und gesund und munter zu uns zurückbringen würde? Sehen Sie!«
Ohne ein Wort zu Arthur oder seiner Mutter nahm Vater mich ihm ab. »Du darfst doch nicht weglaufen, Emily! Ohne meine Aufsicht kann dir alles Mögliche passieren. Warte dort bei den anderen Damen, während ich uns die Eintrittskarten für das Riesenrad besorge. Es wurde beschlossen, dass wir alle einmal damit fahren, ehe wir zum Dinner in den Club gehen.« Er schob mich zu der Gruppe hin – und ich stolperte genau in Camille und ihre Mutter hinein.
»Entschuldigen Sie«, sagte ich, als ich mein Gleichgewicht wiedergefunden hatte. Erst da bemerkte ich, was ich wegen der Faszination des Midway bisher nicht gesehen hatte – dass nämlich unter den Damen auch Camille war, genau wie einige andere meiner früheren Freundinnen: Elizabeth Ryerson, Nancy Field, Janet Palmer und Eugenia Taylor. Sie standen hinter Camille und ihrer Mutter wie eine uneinnehmbare Bastion der Ablehnung.
Mrs. Elcott sah an ihrer Nase entlang auf mich herab. »Ich sehe, du trägst sowohl die Perlen als auch ein Kleid deiner Mutter – wobei ich sagen muss, dass es durch die Umarbeitung kaum noch wiederzuerkennen ist.«
Mir war bereits mehr als bewusst, wie sehr Mutters geändertes Kleid meinen Körper betonte. An den strafenden Mienen ringsum erriet ich, dass meine einstigen Freundinnen mich, während ich dem Zauber der Ausstellung erlegen war, bereits ausgiebig abgeurteilt und verdammt hatten.
»Und ich sehe, dass du an Arthur Simptons Arm hängst«, fügte Camille in einem Ton hinzu, der fast so verkniffen klang wie der ihrer Mutter.
»Ja, wie praktisch von dir, dich zu verlaufen, so dass er dich suchen gehen musste«, bemerkte Elizabeth Ryerson.
Ich straffte die Schultern und hob das Kinn. Es war sinnlos, ihnen das Kleid und die Perlen erklären zu wollen, und ich würde vor diesen Frauen auf keinen Fall den Kopf einziehen, doch ich hatte das Gefühl, Arthur Simpton verteidigen zu müssen. »Mr. Simpton hat sich nur als Gentleman verhalten.«
Mrs. Elcott schnaubte. »Als ob du eine Dame wärst! Und Mister Simpton? Mir schien, als wärst du auf vertrauterem Fuß mit ihm.«
Da nahm Mrs. Simpton
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