Neid: Thriller (Opcop-Gruppe) (German Edition)
verändert hatte. Jeder zweite Laden stand leer, schien in aller Eile ausgeräumt worden zu sein, und je näher Gunnar Nyberg der Innenstadt kam, desto stärker wurde die Präsenz bewaffneter Polizisten, die durch die vollkommen verdreckten Straßen patrouillierten.
Der Parthenon, der antike Tempel und Wahrzeichen Athens, sah von der Akropolis hinunter auf die Stadt, und Gunnar Nyberg meinte Besorgnis in seinem Blick zu erkennen.
Auf dem Weg zur Plaka, der Altstadt, entdeckte er eine Gang junger Männer in schwarzen T-Shirts. Sie gingen bei Rot über die Straße, schlenderten an seinem Auto vorbei, johlten und fuchtelten mit ihren Schlagstöcken in der Luft. Auf ihren Rücken stand der Schriftzug in einer weißen Type, die an das klassische Griechenland erinnern sollte: XñõóÞ ÁõãÞ. Das war der erste Mob aus den Reihen der Goldenen Morgenröte, den Nyberg aus nächster Nähe zu Gesicht bekam. Und es sollte nicht der letzte sein.
Er hatte schon so einiges von ihnen gehört. Sobald ein Verbrechen geschah, das nur im Entferntesten eine »Ausländerbeteiligung« vermuten ließ, rief der Geschädigte, der Urgrieche, eher die Vertreter der Goldenen Morgenröte als die Polizei. Nicht, dass es da signifikante Unterschiede geben würde – erst vor Kurzem waren enge Verbindungen zwischen der Polizei und den Neonazis ans Licht gekommen –, aber es war eindeutig, dass sich die Bürgerwehr mit ihren schwarz-weißen T-Shirts und den zum Einsatz bereiten Baseballschlägern als parallele Ordnungsmacht etabliert hatte.
Einer der jungen Männer legte sich auf Nybergs Motorhaube und machte ein paar universelle Handzeichen. Nyberg hatte einen guten Blick auf die Vorderseite des T-Shirts, auf der das markante, einem Hakenkreuz ähnliche Symbol der Partei prangte. Dann zog der Mob weiter Richtung Plaka. Der junge Mann ließ sich von der Motorhaube rollen und rannte seinen Kumpels hektisch hinterher; ohne seine Gang war er ein Nichts.
Nyberg entschied sich, ihnen zu folgen. Er hatte noch etwa eine Stunde Zeit, bis Fabien Fazekas möglicherweise die Parteizentrale zum Mittagessen verlassen würde (falls er sich dort überhaupt aufhielt). Er parkte den Wagen nachlässig und verkehrswidrig am Straßenrand und ging der Gruppe nach.
Die schmale Straße mündete in einen kleinen Platz. Die Sonne schien unbarmherzig, es hatte mindestens fünfunddreißig Grad im Schatten. Trotzdem sah Nyberg eine Gruppe von Männern in schwarzen T-Shirts vor einer Art Gulaschkanone stehen. Das verwirrte ihn zunächst, aber dann begriff er: Dies war eines der gemeinnützigen Angebote der Goldenen Morgenröte; man ging auf Stimmenfang, während man sich aufopfernd um die Mitbürger kümmerte, die unter der Krise litten. Gratisessen für waschechte, krisengeschüttelte Griechen, Arbeitsbeschaffung durch Drohgebärden gegen Arbeitgeber, die Ausländer beschäftigten, eine funktionierende Ordnungsmacht, die Ausländer schikanierte und verprügelte.
Das war ein Furcht einflößender Blick in die Zukunft Europas. Überall formierten sich antidemokratische Kräfte, die sich der Demokratie bemächtigten, um sie abzuschaffen.
Gunnar Nyberg kehrte zu seinem Wagen zurück und fuhr zum Hauptbahnhof. Auch hier war auf den Straßen wesentlich weniger Verkehr als gewöhnlich. Er fand das Gebäude der Parteizentrale und warf einen Blick auf die Uhr. Um diese Zeit gingen die Griechen normalerweise mittagessen. Natürlich war es reine Spekulation, dass Fabien Fazekas das Hauptquartier verlassen würde. Er konnte genauso gut vor dem Computer einen Imbiss einnehmen oder – ganz Workaholic – das Mittagessen ausfallen lassen. In diesem Moment ging die Tür auf, und Fabien Fazekas trat auf die Straße.
Leider war er nicht allein. In Begleitung eines muskulösen jüngeren Mannes in einem eleganten Anzug lief er Richtung Innenstadt. Das Straßenbild veränderte sich rasch, die Straßen wurden schmaler und steiler, die Gegend sah zunehmend wie ein Wohnviertel aus. Nyberg fuhr langsam und schwenkte ab und zu in freie Parkplätze – noch vor gar nicht allzu langer Zeit ein athenisches Paradoxon: freie Parkplätze. Aber auf diese Weise gelang es ihm, unentdeckt zu bleiben. Fazekas und der Anzug tragende Bodybuilder hatten nur Augen füreinander. Proportional zur Schweißsättigung seiner eigenen Baumwollkleidung stieg Gunnar Nybergs Hoffnung. Vielleicht war das Paar tatsächlich auf dem Weg nach Hause. Aber nach Hause zu welchem der beiden?
Schließlich bogen sie
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