Neid: Thriller (Opcop-Gruppe) (German Edition)
sich eine ganze Reihe von Fotos dieses französischen Spindoktors, der hauptsächlich für die rechtskonservative Seite tätig war. Er gehörte zu dem Kreis um Präsident Sarkozy und der konservativen Partei UMP, die ihn angeheuert hatte, um beim Thema Fremdenfeindlichkeit zu polarisieren und Le Pen Stimmen zu stehlen, also der französischen neonazistischen Partei Front National. Aus dieser Position heraus hatte er seine Fähigkeiten in ganz Europa angeboten. Zurzeit bestand sein Arbeitsauftrag darin, die Faschisten von der Goldenen Morgenröte ins griechische Parlament zu hieven.
Als Sarkozy wegen seiner Roma-Politik unter Beschuss geriet – die UMP hatte illegal Tausende EU-Bürger des Landes verwiesen –, erhielt Fabien Fazekas offenbar den Auftrag, bei der stärksten Kritikerin, der EU-Kommissarin für Umwelt, Marianne Barrière, nach möglichen Schwachstellen zu suchen. Und er wurde fündig, mithilfe ihrer ehemaligen Jugendliebe Pierre-Hugues Prévost, alias Pamplemousse. Aber die Kritik an Sarkozy wurde nicht lauter, offenbar interessierte sich niemand für die europäischen Roma. Daher wurden die kompromittierenden Fotos für einen zukünftigen Einsatz archiviert.
Und dieser war nun gekommen.
Wenn Paul Hjelms Theorie stimmte, hatte Fabien Fazekas aus Athen eine MMS mit dem besagten Foto an Barrière geschickt. Sie musste zum Schweigen gebracht werden, weil sie einen Gesetzesentwurf vorbereitete, der Fazekas’ Kreis auf irgendeine Weise bedrohte. Hjelm hatte das nicht weiter ausführen wollen, und für Nyberg war das auch nicht notwendig.
Paul Hjelm und Gunnar Nyberg hatten Unterlagen gefunden, die Fazekas’ Aufenthalt in Athen bestätigten. Natürlich hatten sie keine Adresse ausfindig machen können, aber allem Anschein nach arbeitete der Mann praktisch täglich im Hauptquartier der Goldenen Morgenröte – ein gleichmäßiger Strom an Pressemitteilungen mit seiner Signatur verließ die Parteizentrale. Gunnar hatte das Gefühl, dass dieser Auftrag viel Geduld erfordern würde, und zwar weit mehr als bei einer klassischen Observierung. Wahrscheinlich würde er versuchen müssen, Fazekas in seiner Wohnung mit dem Foto zu konfrontieren.
Dass das Foto als MMS verschickt worden war, bedeutete, dass es in elektronischer Form existierte, also problemlos auch an andere versandt werden konnte. Außerdem gab es insgesamt drei Aufnahmen.
Es war das erste Mal, dass sich Gunnar Nyberg mit der Unübersichtlichkeit der digitalen Welt konfrontiert sah. Aber solange die Fotos noch nicht im Internet kursierten, konnten sie die Sache vielleicht noch in den Griff bekommen. Allerdings wusste Nyberg sehr wohl, wie leicht man Bilder ins Netz stellen konnte. Mit einem Mausklick zur Unwiderruflichkeit.
Er widmete sich wieder den Bildern, die Fabien Fazekas zeigten. Ein gut aussehender Mann. Drahtig, tadellos gekleidet, meist mit Polohemd, eine noble Erscheinung, die Eleganz ausstrahlte. Sein Stil erinnerte an jenen, den die alten Nazis nach dem Krieg pflegten. Polohemden und eine Aura von frisch-fröhlicher, sportlicher Gesundheit, Landspaziergänge mit dem Hund, Jagdgesellschaften. Als würden sie sich so von dem Meer aus Blut und den Myriaden von Gewaltverbrechen reinwaschen können. Vielleicht war der Vergleich ungerecht. Nein, war er nicht. Die Einnahmen aus dieser Spindoktor-Tätigkeit für die Goldene Morgenröte landeten vermutlich auf einem kleinen anonymen Konto – Gunnar Nyberg war mit den Athener Gepflogenheiten nicht sehr vertraut, aber eine Frau in einer exponierten Führungsposition wegen irgendwelcher Jugendsünden zu erpressen, das war mindestens niveaulos.
Das Flugzeug setzte zur Landung an. Beim Ausstieg empfing ihn eine erdrückende Hitze. Er war so dünn wie möglich angezogen, es machte nichts aus, wenn man ihn für einen Touristen hielt, Hauptsache, er fiel nicht zu sehr auf. Noch am Flughafen nahm er einen Mietwagen und hoffte inständig, dass die Krise den Athenern das Autofahren verleidet hatte. Er war schon einmal in dieser Stadt Auto gefahren, und das war alles andere als ein Vergnügen gewesen.
Das Erste, was ihm auf seiner Fahrt in dem klimatisierten und mit GPS ausgestatteten Wagen – den die EU bezahlte – auffiel, waren die leeren Straßen. Es war offensichtlich, dass sich die Menschen nicht wie sonst im Freien aufhielten, auf den öffentlichen Plätzen, der griechischen Agora. Und je mehr er sich dem Zentrum Athens näherte, desto deutlicher sah er, dass die Wiege Europas sich
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