Neid: Thriller (Opcop-Gruppe) (German Edition)
ausfindig machen können, das ist jedoch kein besonders rationaler Akt.«
»Damit willst du also andeuten, dass ...«
»Dass noch mehr auf diesem Handy sein muss, genau. Unsere zwei Schattenmenschen, der sonderbare Fremde und Janne, wissen natürlich davon. Die wollten uns damit nur einen Anstoß geben. Sie haben sich mit dem Handy irgendwo verkrochen. Und darauf befindet sich etwas wirklich Wichtiges.«
»Übertreibst du jetzt nicht ein bisschen? Janne ist ein Penner aus Hornstull, und der sonderbare Fremde ist ein blinder bettelnder Roma.«
»Ich habe den Eindruck, Sara Svenhagen, als müssten Sie Ihren Normalitätsbegriff erweitern.«
»Du mieser Kerl!«
»Virpi und Jovan oder Janne?«
»Janne liegt doch auf dem Weg.«
So kam es, dass das Paar kurze Zeit später vor einer Kellertür in Hornstull, nicht weit entfernt vom Högalidsparken kauerte. Sie entsprach exakt der Beschreibung von Leutnant Louise Ahl und war eine versteckt gelegene Kellertür in der dunkelsten Ecke eines unbenutzten Hinterhofes. Chavez klopfte. Er wartete, dann versuchte er es erneut. Schließlich öffnete sich die Tür. Eine Kellergestalt sah durch den Spalt. Bart und Haare formten einen großen Ball, der den Kopf gigantisch aussehen ließ.
»Janne?«, fragte Chavez.
» Fuck off «, lautete die Antwort.
Einen kurzen Moment lang wünschte sich Chavez, dass auch er 1988 an den Olympischen Sommerspielen in Seoul teilgenommen hätte. Allerdings wäre er damals erst dreizehn Jahre jung gewesen. Also wandte er einen sehr unsportlichen, hinterhältigen Trick an.
»Wir sind von der Wohnungsbaugesellschaft. Morgen werden die Kellerräume hier mit Maschinen geräumt.«
Der Mann mit dem kugelrunden Kopf starrte ihn an. Dann fing er an zu kichern und sagte mit heiserer Stimme: »Kommt rein, ihr Scheißbullen.«
Sie betraten den winzigen Raum, eine wilde Mischung aus Pennerhöhle und Büro. Ein uralter Rechner stand auf einem Tisch, eine Reihe von Handys war an Kabel angeschlossen. Keines davon war ein Smartphone.
»Ist ganz schön schwer, an die ranzukommen«, sagte Janne.
»Was?«
»Ihr sucht doch ein iPhone. Manometer, habt ihr lange gebraucht.«
»Hättet ihr damit nicht eigentlich direkt zur Polizei gehen sollen?«, fragte Chavez.
»Die hätten die Sache doch nur vermasselt. Wir wollten, dass sich ein paar richtige Bullen darum kümmern. Seid ihr die richtigen? Sie schon, aber du?«
Da konnte Chavez nicht mehr an sich halten und lachte laut. Das hallte ganz ordentlich in dem kleinen Raum.
»Sie ist eindeutig die Richtige, das kann ich versichern. Mich gibt es als Zugabe.«
»Dann stell mal die richtigen Fragen.«
»Willst du uns nicht einen Sitzplatz anbieten?«
»Zum Piepen.«
»Warum hast du dich überhaupt mit ihm unterhalten?«
»Es waren seine Augen. Er war so offensichtlich blind, aber er benahm sich überhaupt nicht wie ein Blinder.«
»Erlaube mir die Bemerkung, dass du dich auch nicht wie ein typischer Penner benimmst.«
»Welcher Penner tut das schon? Wir sind doch nur ein wildes Trüppchen Menschen, die mit den immer starrer werdenden Spielregeln des Lebens nicht mehr zurechtkommen. Man kann doch nicht erwarten, dass jeder Mensch so gut mit Geld umgehen kann wie ein bescheuerter Banker, oder?«
»Schreibst du?«, fragte Chavez mit Blick auf den Rechner.
»Jeden Tag.« Janne nickte. »Ich war mal ganz erfolgreich. Oder sagen wir eher, auf dem Weg zum Erfolg.«
»Sind das deine Werke?«, fragte Svenhagen und zeigte auf die Bücher, die an der Wand lehnten. »Der Name sagt mir etwas.«
Janne musterte sie ausgiebig. Dann nickte er erneut und stellte fest: »Nein, das hast du nicht nur gesagt, um mir zu schmeicheln.«
»Schmeicheln ist eine sehr unterentwickelte Begabung von mir, aber ich habe noch nichts von dir gelesen.«
»Das haben nur sehr wenige getan. Willst du ein Exemplar haben?«
»Kann ich?«, fragte Sara Svenhagen und nahm das etwas fleckige Buch entgegen. »Meinst du das im Ernst?«
»Klar.«
»Wie nett. Danke.«
»Was ist denn schiefgelaufen?«, fragte Chavez und las die Buchrücken. Es gab insgesamt fünf Titel.
»Gar nichts«, antwortete Janne. »Nichts ist schiefgelaufen. Ich habe mich so entwickelt, wie das ein Schriftsteller eben tut. Langsam. Aber die Welt veränderte sich schneller. Und auch die Verlagsbranche hat sich Mitte der Neunzigerjahre gewaltig verändert. Man bekam nicht mehr die Chance auf Misserfolge, ehe man seinen Durchbruch hatte. Die Verlage begannen, Autoren schon nach
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