Nein! Ich geh nicht zum Seniorentreff! - Ironside, V: Nein! Ich geh nicht zum Seniorentreff! - The Virginia Monologues
informieren Sie sich über die V or- und Nachteile des Singlelebens.
Alte Vorurteile über Bord werfen
Als ich jung war, hatte ich eine starke A bneigung gegen drei Dinge: Pantomime, Marionettentheater und Proust. W enn einer meiner Bekannten eine diesbezügliche Neigung eingestand, strich ich ihn sofort aus meinem A dressbuch und aus meinem Leben. Für mich waren Pantomime, Marionettentheater oder Proust der Inbegriff von A nmaßung.
Das A lter hat mich zum Umdenken gebracht. Eine gute Pantomime oder eine Marionettentheater-Aufführung sind den meisten amerikanischen Spielfilmen vorzuziehen, und was Proust betrifft– haben Sie ihn eigentlich je gelesen? Er ist einfach wundervoll! Mit ihm kann man sich gut und gerne ein ganzes Jahr lang beschäftigen. Schlagen Sie ihn mal Ihrem örtlichen Buchclub vor– damit machen Sie selbst die größten Labersäcke wenigstens eine Zeitlang mundtot.
Es ist erstaunlich, wie viele Dinge, die wir als Kinder und Jugendliche kategorisch abgelehnt haben, uns im A lter immensen Genuss bereiten. Und ich spreche ausdrücklich nicht nur von Rosenkohl.
Stricken
Es ist in Mode, über das Stricken die Nase zu rümpfen. Ich habe neulich eine Radiosendung gehört, in der die V erfasserin eines Strickbuchs zu Gast war. Die A rme! Die Moderatorin hat sie so herablassend behandelt, dass bei mir die blanke W ut hochkam. » Aber Sie könnten doch…«, rief die Interviewerin und schien gar nicht zu wissen, was sie als Erstes nennen sollte, das besser war als stricken. » Sie könnten doch ins Fitnessstudio gehen !« – » Oder«, warf die andere Dame, die ebenfalls zu Gast war, in vorauseilendem Gehorsam ein, » Sie könnten ein Buch lesen !«
Können Sie sich etwas weniger Produktives, Egoistischeres, Zeitverschwenderischeres vorstellen, als ein Buch zu lesen oder ins Fitnessstudio zu gehen? Diese Strickerin hatte in den vergangenen Monaten Pullover, Socken, Mützen, Decken, W esten, ja sogar Schürzen gestrickt… Und was haben ein Fitnessstudiogänger und ein Leser vorzuweisen? Nichts. Ich muss zugeben, dass ich meine Urgroßmutter manchmal verstehen kann, die zornig wurde, wenn sie meine Oma mal wieder in irgendeiner Ecke beim Schmökern eines Buchs ertappte. » Schon wieder diese elende Leserei!«, kreischte sie dann, » dieses unnütze Herumhocken! Los, auf, tu endlich was Richtiges !«
Ich war nach der Behandlung, die diese arme Strickkünstlerin von Seiten der zwei Emanzenschnepfen erfahren hatte, derart erbost, dass ich ins nächste Handarbeitsgeschäft eilte, eine Strickzeitschrift, Nadeln und W olle kaufte und mich zuhause sofort daranmachte, Söckchen für meinen Enkelsohn zu stricken– mit sage und schreibe fünf Nadeln (was keine Kleinigkeit ist, so viel kann ich Ihnen versichern). Danach strickte ich ihm gleich noch ein Mützchen, und derzeit arbeite ich an einem Pullover. Es gibt nichts Entspannenderes, Friedlicheres und Nützlicheres, als in der warmen Stube zu sitzen und etwas zu stricken. Und man kann dabei sogar Radio hören– und sich ärgern.
Sport
Meine gesamten sportlichen A ktivitäten bestehen darin, morgens aufzustehen, die Treppe runterzugehen, ein Bad zu nehmen, wieder raufzugehen, mich an den Computer zu setzen, wieder runterzugehen, mir einen Kaffee zu machen und gelegentlich zu meinem A uto zu gehen. A ber ich kenne viele Senioren, die regelmäßig ein- bis zweimal pro W oche ins Fitnessstudio gehen.
Als ich das letzte Mal ein Fitnessstudio betrat, war der Testosteronpegel im Raum beinahe mit Händen zu greifen. Meine A ugen wurden geblendet von den wogenden Hügeln gut eingeölter Bizepse, und im Hintergrund dröhnte eine Musik, die näher zu identifizieren mir graute (weshalb ich es sein ließ). Da ich kaum in der Lage bin, einen Bleistift zu heben, schämte ich mich fürchterlich, als es mir nicht gelang, das für mein A lter erforderliche Minimum zu stemmen. Nein, wenn ich schon keuchen und schwitzen muss, dann tue ich das lieber in der A bgeschiedenheit meines Hauses als vor reihenweise gestählten jungen Körpern.
Physisch habe ich zweifellos vom Fitnessstudio profitiert, gleichzeitig fühlte ich mich aber derart demoralisiert, dass ich jedes Mal nach dem Training wie ein zertretener W urm nach Hause kroch, um mich zu duschen und den Turnhallengestank abzuwaschen. Und was das Schwimmen betrifft… W . C. Fields hat übers W asser gesagt: » Fish fuck in it.« W er kann schon mit Sicherheit sagen, wer mein örtliches Schwimmbad alles als Toilette
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