Nein! Ich geh nicht zum Seniorentreff! - Ironside, V: Nein! Ich geh nicht zum Seniorentreff! - The Virginia Monologues
Leutchen auf seiner Besuchsliste haben. Die V orteile dieser Freizeitbeschäftigung liegen auf der Hand: Meist freuen sie sich ungeheuer, einen zu sehen, und was sie zu erzählen haben ist oft schlichtweg faszinierend. Ihnen wird eine schöne Tasse Tee kredenzt, Sie werden nett bewirtet und kommen sich ein bisschen vor wie ein Internatskind auf Ferienbesuch. Und nach einem solchen Nachmittag bei einem alten Menschen fühlt man sich nicht nur jung, sondern ausgesprochen nobel– und das ist nicht zu verachten.
Genießen Sie es!
Allein zu leben kann äußerst lustvoll sein. Jetzt können Sie nach Herzenslust in Ihr Bett krümeln. Sie brauchen sich nicht mehr die Beine zu rasieren. Sie müssen sich bei niemandem mehr entschuldigen, wenn Sie abends zu spät nach Hause kommen. Es gibt auch keine V erzweiflung mehr, wenn Sie nach der A rbeit heimkommen und feststellen müssen, dass Ihr Partner heute aus irgendwelchen schleierhaften Gründen nicht mit Ihnen reden will. Sie müssen sich von jetzt an auch nicht mehr um die Fernbedienung streiten. Und Sie können wie Katharine W hitehorn einige der wenigen Freuden des A lleinseins entdecken, auf die sie nach dem Tode ihres Mannes stieß– nachzulesen in ihrer Biografie Selective Memory: » Es ist eine A rt von Erleichterung festzustellen, dass niemand mehr da ist, dem man beichten muss, dass man auf der Fahrt von Kennington nach Hampstead eine Straße mit der Bezeichnung A23 Brighton genommen hat.«
Haustiere
Wenn Sie einen Garten haben, könnten Sie es ja mal mit einer Katze gegen die Einsamkeit versuchen. A ber schaffen Sie sich am besten gleich zwei an. Katzen mögen Gesellschaft, wie jeder andere auch, und zu behaupten, sie seien Einzelgänger, ist blanker Unsinn. A ußerdem sollten es alte Katzen sein. In Ihrem A lter wollen Sie doch sicher nicht, dass das arme Tier Sie überlebt– und das könnte es, wenn es zwanzig Jahre alt werden sollte. Im Battersea Dogs Home zum Beispiel gibt es– obwohl der Name das nicht erwarten ließe– eine ganze Horde uralter Katzen, die traurig maunzend ein neues Heim suchen.
Oder Sie legen sich einen Hund zu. Der bringt Sie auf Trab. Zumindest aber sorgt er dafür, dass Sie morgens aus den Federn kommen und in Bewegung bleiben. Man kommt als Rentner leicht in V ersuchung, ein wenig schrullig zu werden, will heißen, man wird um vier Uhr morgens wach, geistert herum, macht sich eine Tasse Tee und surft ein wenig im Internet. Um sechs ist man dann bereit für den zweiten Schlaf, der gewöhnlich bis zehn, elf Uhr vormittags dauert. Sollte man nach dem zweiten A ufstehen feststellen, dass keine Frühstückseier mehr da sind, wirft man rasch einen Mantel übers Nachthemd, schlüpft in ein paar hochhackige Schuhe und stöckelt zum kleinen Supermarkt um die Ecke. W ieder daheim, macht man sich rasch ein Omelett, hält zum Dessert ein kleines Nickerchen, schaut nach dem A ufwachen ein bisschen Fernsehen und schläft dann über einem Buch ein– ohne je aus dem Nachthemd rausgekommen zu sein.
Schlimm, ja, ich weiß, aber was soll man tun, bitte schön? (Wenn mich an einem solchen Tag eine Freundin anruft und fragt, was ich so mache, antworte ich gewöhnlich in scharfem Ton: » Arbeiten, was sonst?«)
Um derartiger V erwahrlosung vorzubeugen, wäre es also durchaus ratsam, sich ein Haustier zuzulegen. Da kommt man wenigstens ab und zu aus dem Nachthemd raus.
Außerdem erwartet die Umwelt von alleinstehenden alten Damen ja geradezu, dass sie mindestens eine Katze im Haus haben. Ich muss oft ein Gähnen unterdrücken, wenn mir meine Freundinnen mal wieder stundenlang vorschwärmen, was ihre pelzigen Lieblinge jetzt schon wieder » angestellt« haben. Und nicht nur das, mitunter muss man einen fortlaufenden Kommentar ertragen. » Donnerstag passt mir gut«, wird die Freundin vielleicht sagen, » aber Mittwoch– Oskar, du Frechdachs! W as machst du denn da?« Nachsichtig kichernd zu mir: » Das war Oskar, er ist mir auf den Schoß gesprungen. Ja, also Mittwoch… oh! Ich glaube, er will mit dir reden! Oskar! Igitt, du stinkst schon wieder aus dem Maul, mein Süßer. A ber jetzt sei ein guter Junge und geh und trink deine Milch… Nein, Oskar, nicht auf meinen Computer!« Und zu mir gewandt: » Du solltest ihn mal sehen! Er will unbedingt an meinen Computer ran! Das sieht so komisch aus!« Es folgt ein Kicheranfall, den ich mit gespitzten Lippen minutenlang ertrage, da ich ja immer noch nicht weiß, wann wir uns nun treffen sollen (hoffentlich
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