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Nein! Ich geh nicht zum Seniorentreff! - Ironside, V: Nein! Ich geh nicht zum Seniorentreff! - The Virginia Monologues

Titel: Nein! Ich geh nicht zum Seniorentreff! - Ironside, V: Nein! Ich geh nicht zum Seniorentreff! - The Virginia Monologues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Virginia Ironside
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ohne den grässlichen Oskar).
    Letztes Jahr gab zur A bwechslung aber ich einmal die verrückte Tiernärrin– meine Freunde mussten gähnend miterleben, wie ich mich in eine Taube vernarrte. Sie mögen mich gerne belächeln, aber wir hatten wirklich eine ganz besondere Beziehung, diese Taube und ich.
    Sie war natürlich keine gewöhnliche Taube, sondern ein schneeweißes, wunderschönes Geschöpf mit einer buschigen Brust, einem leuchtend lila Fleck auf dem Hals und einem prächtigen weißen Kopfgefieder. A m Bein hatte sie lediglich einen schlichten grünen Markierungsring. A ls der Täuberich bei mir auftauchte, war klar, dass er sich verirrt hatte; er saß Tag und Nacht an meinem Fenster und kackte gelegentlich aufs Dach meines W intergartens. Immer wieder musste ich in den Garten raussprinten und gierige Katzen aus der Nachbarschaft verscheuchen. Ich fütterte ihn vom Badfenster aus mit Maiskörnern, und es schien rasch ausgemachte Sache, dass ich ihn nicht so schnell wieder loswerden würde. Er liebte menschliche Gesellschaft; immer wenn er mich erblickte, plusterte er sich auf und gurrte mir durchs Fenster entgegen. Meine Internetrecherche ergab, dass er kein gewöhnlicher Täuberich war, o nein, er war eine Zuchttaube. Und ich hatte keine A hnung von Zuchttauben, fiel mir da auf.
    Ich rief bei allen möglichen Taubenzüchtervereinen an und erkundigte mich, ob nicht vielleicht jemand Interesse an meinem Täuberich hätte. Ohne Erfolg. » Aber er ist einsam und friert«, heulte ich einem Taubenzüchter ins Telefon. » Einsam?«, schnaubte der, » wohl kaum. W ozu braucht er ’nen Freund? Er hat doch schon einen!«
    » Aber das ist es ja gerade, er hat niemanden auf der W elt!«, jaulte ich.
    » Klar hat er«, sagte der Mann rau, » er hat Sie!«
    Bei der RSPB, der Royal Society for the Protection of Birds, meinte man, der Besitzer habe das Tier offenbar für minderwertig erachtet und ausgesetzt.
    Mein Herz blutete für den armen V ogel, dieses verlassene, ausgestoßene Geschöpf. Ja, es schien, als wäre ich tatsächlich sein einziger Freund. Und er war es eine Zeitlang auch für mich. Eine fürchterlich schwere V erantwortung.
    Nach einem Gespräch mit einem befreundeten Biologieprofessor hoffte ich, sein Paarungstrieb würde ihn im Frühling dazu zwingen, sich ein W eibchen zu suchen, anstatt weiterhin tatenlos bei einer alten Lady herumzuhängen. A ber als nach einem traurigen W inter, in dem mein Täuberich bei W ind und W etter auf einem W asserrohr saß und sich in eine W andecke drückte, den Schnabel unter dem Gefieder vergraben, endlich der Frühling kam, waren die einzigen anderen Tauben, die sich blicken ließen, eine rücksichtslose Schar wilder, staubiger Straßentauben, die jeden Morgen auftauchten und ihm sein Futter streitig machten. Einmal war er eine ganze W oche lang verschwunden, doch dann tauchte er wieder auf, mehr staubgrau als weiß, mit zerzaustem Gefieder und offensichtlich traumatisiert. V on da an verließ er nie wieder sein Regenrohr, außer um sich nervös sein Futter zu holen. Ich war außer mir vor Sorge und Kummer um diesen armen verlassenen V ogel.
    Schließlich wurde die Situation unerträglich. In meinem Haus tauchten plötzlich Kakerlaken auf, und der eilig herbeigerufene Kammerjäger warf einen bösen Blick durchs vollgekackte Dach meines W intergartens zu meinem Täuberich hinauf und brummte, bevor er seine Maske aufsetzte und sämtliche Zimmer besprühte: » Dieser V ogel macht es auch nicht gerade besser.«
    Erschwerend kam hinzu, dass ich den V erdacht hegte, ihn durch meine Fütterei zu einem Leben als einsamer A ußenseiter zu verurteilen. Sein A nblick löste sofort Schuldgefühle und V erzweiflung bei mir aus, beinahe als besäße ich meinen eigenen, ganz persönlichen Guantánamo-Häftling, dessen jämmerlicher Zustand mich Tag und Nacht verfolgte.
    Jeder gab mir einen anderen Rat. » Du musst aufhören, ihn zu füttern!« war der häufigste.
    Aber wie konnte ich? Er war eine Zuchttaube, er hatte nie gelernt, sich sein Futter selbst zu suchen. Und ich wusste, dass ich ihm nicht würde widerstehen können, wenn er, dünn und zerzaust, morgens an mein Fenster klopfte und um Futter bettelte.
    Die einzige probate Lösung bestand darin, dass ich ihm ein neues Zuhause suchte. Und wie es der Zufall wollte, kannte eine Freundin einen V ogelliebhaber, der in einem wunderschönen Cottage mitten in den Fens lebte. In seinem Hof liefen Rebhühner umher, erzählte mir meine

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