Nein! Ich geh nicht zum Seniorentreff! - Ironside, V: Nein! Ich geh nicht zum Seniorentreff! - The Virginia Monologues
halten, um nicht zu schreien: » Das ist doch scheißegal! Mittwoch oder Donnerstag, wen stört das denn bitte schön? Jetzt erzählt schon weiter!«
Diese Sorte von Paar unterbricht andauernd den Fluss der Geschichte, die der andere gerade erzählt. Manchmal geht es schon los, bevor einer der beiden überhaupt den ersten Satz zu Ende gesprochen hat: » Um Himmels willen! Das ist doch die Pointe! Damit kannst du doch nicht anfangen! Jetzt hast du die ganze Geschichte verdorben!«
Möglicherweise seufzt der andere auch am Ende einer endlos öden Geschichte, nachdem er vom Partner zahllose Male unterbrochen wurde: » Also, wer erzählt denn nun, du oder ich?«
Da sitzt man dann und glaubt, man habe zwei Turteltäubchen zu sich eingeladen, dabei hat man stattdessen zwei vernarbte alte Preisboxer vor sich, die mit bloßen Fäusten aufeinander losgehen.
Eine meiner Freundinnen, deren Ehemann nun in Rente ist, sagt, sie könnte jedes Mal schreien, wenn sie mittags Punkt zwölf seine Schritte auf der Treppe hört – sie hat ihn im »Studierzimmer« geparkt – und er fragt: » Was gibt’s zum Mittagessen, Schatz?«
» Ich bin doch seine Frau und nicht seine Köchin!«, beschwerte sie sich bei mir. Und fügte hinzu, dass sie es kaum aushalte, ihn jetzt den ganzen Tag im Haus zu haben.
Aber wie lange hast du ihn noch?, denke ich dann immer. Eines Tages wirst du genau diese Frage vielleicht vermissen.
Trotzdem sind es gerade solche Gelegenheiten, bei denen ich Gott danke, dass ich alleinstehend bin– selbst wenn ich mich zwischendurch immer mal wieder fürchterlich einsam fühle. Und ich vermute, dass sich die Paare bei solchen Gelegenheiten wohl ebenfalls– wenigstens eine Sekunde lang– wünschten, ihr » Schatz« würde sich in Rauch auflösen.
Dann wäre da noch der Horror des Beischlafs– ich meine damit das gemeinsame Ehebett. Im selben Bett zu schlafen ist in diesem A lter einfach nicht mehr so reizvoll, wie es das früher vielleicht einmal war. Und es geht dabei nicht nur um den Luxus eines eigenen Bettes. Es geht darum, nicht mehr mitten in der Nacht ins kalte Gästezimmer umsiedeln zu müssen, weil man sein Geschnarche einfach nicht mehr ertragen kann. Oder sich ins kalte W ohnzimmer runterzuschleichen, wenn man wach wird, nicht mehr einschlafen kann und noch ein bisschen lesen will. Es geht darum, nicht mehr von ihm geweckt zu werden, wenn er mitten in der Nacht wach wird und das Licht anknipst und nicht die Rücksicht besitzt, zum Lesen ins W ohnzimmer hinunterzugehen, und man wütend unter seiner Schlafmaske schwitzen muss. W enn man getrennte Schlafzimmer hat, gibt es endlich auch keinen Streit mehr darüber, dass er um sieben Uhr morgens unbedingt das Radio anstellen muss, aber, kaum dass es an ist, wieder einschläft.
Evelyn W augh sagte im reifen A lter, er würde lieber zum Zahnarzt gehen, wenn er physische Freuden genießen wolle, anstatt das eheliche Schlafzimmer zu betreten– ein ganz schön hartes Urteil über Mrs. W augh, wenn Sie mich fragen. Und auch über seinen Zahnarzt, wenn ich’s recht bedenke. Ein Drittel aller Frauen über sechzig teilt nicht mehr das Ehebett mit ihrem Mann– die Schnarcherei, das Rumwälzen und die erratische Libido alter Männer haben sie in die Flucht getrieben.
Wenn man es von dieser W arte aus betrachtet, kommt einem das Singledasein gar nicht mehr so schlecht vor.
Sie sind nicht der einzige einsame
Mensch auf der Welt
Offenbar fürchten sich vierzig Prozent aller Briten davor, im A lter zu vereinsamen. Das wachsende Bedürfnis Heranwachsender, aus dem Elternhaus aus- und in eine eigene W ohnung einzuziehen, erhöht das Gefühl der Isolation, unter der die moderne Gesellschaft leidet. A ngst, ob echt oder eingebildet, hilft nicht– die A ngst, auf die Straße zu gehen, die A ngst, überfallen zu werden, egal wie freundlich man den Hooligan anlächelt und wie nett man » Darling« zu ihm sagt (siehe » Selbstbewusstsein«). Hinzu kommen Gesetze, die diese Isolation fördern: A lkoholverbot am Steuer, Rauchverbot in Lokalen, ja, Pubs und Bars müssen heutzutage erst eine Genehmigung einholen, bevor sie Karaoke-Abende und dergleichen veranstalten dürfen. Dies führt dazu, dass der Einzelne seinen Süchten zunehmend im Verborgenen fröhnt.
Mehr und mehr Menschen sehnen sich weniger nach jemandem, mit dem sie etwas unternehmen können, sondern einfach danach, überhaupt jemanden zu haben. Ob man nun etwas gemeinsam unternimmt oder nicht.
Mehr und mehr
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