Nein! Ich geh nicht zum Seniorentreff! - Ironside, V: Nein! Ich geh nicht zum Seniorentreff! - The Virginia Monologues
Menschen arbeiten heutzutage zuhause; viele kennen ihre virtuellen A rbeitskollegen sogar nicht einmal persönlich. Ich selbst kenne meine A nwältin nicht, obwohl sie mein Testament für mich aufgesetzt hat. Und meine Steuerberaterin habe ich, in den fünf Jahren, seit Sie für mich arbeitet, nur einmal getroffen.
Wenn es Ihnen genauso geht, dann glauben Sie aber auf keinen Fall, dass alle anderen da draußen sich prächtig amüsieren, viele Freunde und eine tolle Beziehung haben. Das ist meist nicht der Fall. Es gibt so viele Menschen, die wie Sie und ich sind. Die kämpfen. Die es gerade noch so schaffen. Die sich zuhause die A ugen ausweinen, aber in der Öffentlichkeit darauf bestehen, dass es ihnen » gut geht«.
Vergessen Sie das niemals, und dann werden Sie schon sehen, dass Sie sich gleich ein bisschen besser fühlen. Sie sind nämlichTeil einer Gemeinschaft. Der Gemeinschaft der Einsamen.
Untermieter
Wie gesagt, hatte ich immer Untermieter. A ls ich pleite war, habe ich so viele in jeden W inkel meines Hauses gezwängt, dass ich mir im eigenen Heim manchmal vorkam wie eine Fremde– es gibt nichts Demütigenderes als nachts von einer Dinnerparty nach Hause zu kommen und die Küche als Tummelplatz all der jungen Leuten vorzufinden, die sich lautstark auf Italienisch oder Koreanisch unterhalten und dich anstarren wie einen Eindringling, der ihnen die Party versaut (was nicht ganz unrichtig ist).
Das Teilen der W ohnräume mit Untermietern ist die eine Möglichkeit. A ber sie hat auch deutliche Nachteile. W as mich zum Beispiel am meisten an meinen Untermietern störte, war, dass ich dann immer so gemein wurde. W enn ich aufs Klo ging, zählte ich die Toilettenrollen (Hat sie sich eine genommen und als billige Kosmetiktücher benutzt?). W enn ich in den Kühlschrank schaute, zählte ich automatisch die Eier. Oder ich ging in den Garten, um zu sehen, ob irgendwo Zigarettenstummel rumlagen. Oder ich starrte wütend die Milch an, deren Pegel vorhin ganz bestimmt noch höher gewesen war.
Wenn sie weg waren, schlich ich mich heimlich in ihre Zimmer und wurde dann prompt noch wütender, weil ich gewöhnlich auch irgendwas Ärgerliches vorfand: zerbrochene Teller unter dem Bett ( meine Teller natürlich!) oder, noch schlimmer: Sie hatten weder Licht noch Heizung ausgeschaltet, und das Fenster stand sperrangelweit offen.
Vor kurzem jedoch habe ich eine viel bessere Lösung als das Quasi-WG-Arrangement gefunden. Klo und Dusche passen in den kleinsten W inkel, und heutzutage gibt es diese Miniküchen, die höchstwahrscheinlich für Liliputaner gedacht sind. Sie haben einen winzigen Herd, eine winzige Spüle und eine Mikrowelle von der Größe einer Handtasche. Für diese Lösung habe ich mich entschieden, und nun können sich gleich zwei Untermieter diese Minidusche und Miniküche teilen und kommen mir nicht mehr ins Gehege.
Das Haus habe ich jetzt wieder ganz allein für mich! Das Bad muss ich mit niemandem mehr teilen, und auch an den Kühlschrank geht mir niemand mehr. W enn ich ihn jetzt öffne, starren mir keine Popcorntüten mehr entgegen, keine gefrorenen Batteriehuhnbrüste und keine Fertiggerichte. Ich kann meine Musik so laut aufdrehen, wie ich will, und den A bwasch ruhig auch mal bis zum nächsten Tag stehen lassen.
Und trotzdem– was das Beste an der ganzen Sache ist–, ich bin nicht allein. Ich habe ja oben meine netten jungen Herren. Und wenn es mich überkommt, so etwa einmal pro W oche, wenn mich die Einsamkeit packt, kann ich ihnen mitten in der Nacht im Morgenmantel auflauern wie ein Handtaschenräuber, wenn sie irgendwann todmüde ins Haus gestolpert kommen (und wahrscheinlich nur noch ins Bett wollen), und zirpen: » Guten A bend! W ie wär’s mit einem Mitternachtsschlückchen?« In neun von zehn Fällen ist der arme Kerl derart überrumpelt, dass ihm gar nichts anderes übrigbleibt, als bis ein Uhr morgens mit seiner W irtin ein Schwätzchen in der Küche zu halten– deren Einsamkeitsgefühle sich bis dahin höchst wirkungsvoll in Luft aufgelöst haben.
Gesellschaftstanz
Das ist mein Lieblingssport. Obwohl ich hoffnungslos schlecht darin bin. A ber es ist nicht nur eine höchst vergnügliche Freizeitbeschäftigung, das Tanzen ist auch eine hervorragende A rt, auf höchst intime W eise mit einem anderen zusammen zu sein, ohne Sex, ohne W orte, ohne sonst was. Und mit » intim« meine ich nicht die körperliche Nähe beim Tanzen, ich meine damit, dass man seine Bewegungen und seine
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