Nein! Ich möchte keine Kaffeefahrt!
um und fand alles so tragisch mit den gepackten Koffern und dem kleinen Rucksack mit Stiften und Spielsachen fürs Flugzeug und seinem Lieblingskuscheltier, das oben herausguckte…
Jack umarmte mich besonders herzlich und sagte: » Ich hab dich lieb, Mom. Gib gut auf dichAcht. « (Diese Formulierung kann ich nicht ausstehen, weil sie immer klingt, als wollten die Leute sagen: » Sonst tut das nämlich keiner. « )
Ich sah zu, dass ich schnell wegkam, bevor ich mich gänzlich zum Narren machte, indem ich zu Boden sinken, den beiden an den Kleidern reißen, ihre Knie umklammern und sie anflehen würde, doch bitte, bitte hierzubleiben.
Jetzt hab ich gerade zwei Schlaftabletten geschluckt und würde am liebsten nie wieder aufwachen. Nicht im Ernst, aber ihr wisst schon, was ich meine.
5. Mai
Also gut, ich bin aufgewacht. Sie müssen jetzt schon in der Luft sein. Ich hatte vor, richtig aufzustehen, aber wie sich herausstellte, reichte meine Kraft nur fürsTagebuchschreiben,und jetzt gehe ich wieder ins Bett. Sich ins Bett zu legen, wenn es einem schlecht geht, ist an sich ganz praktisch. Manfühlt sich zwar nicht viel, aber meist zumindest ein bisschen besser, wenn man aufwacht– und jedenfalls kann man damit Zeit totschlagen. Penny rennt immer um den Block, wenn sie trübsinnig ist, doch dieVorstellung, tränenüberströmt durch die Straßen zu schlurfen, ist mir sehr unangenehm. Ich ziehe lieber dieVorhänge zu und lege mich ins Bett. Finde ich sehr vernünftig. Und morgen werde ich dann mein Leben neu ordnen.
Später
Als ich gerade dabei war, mich um drei Uhr nachmittags aus dem Bett zu quälen, rief Marion an.
» Ich weiß, dass heute ein furchtbarerTag für dich ist « , sagte sie mitfühlend. » Deshalb wollte ich dich fragen, ob du nicht Lust hast, zu uns zumAbendessen zu kommen. Damit du spüren kannst, dass du jedenfalls eine Freundesfamilie hier hast, wenn deine andere Familie schon weg ist: uns! Ich weiß, das ist nicht dasselbe, aber wenigstens etwas! «
Ich sagte auf der Stelle zu und fühlte mich auch sofort besser. Es ist gemein von mir, mich darüber lustig zu machen, dass Marion so etwas wie ein Siebzigerjahre-Urgestein ist. Sie ist nämlich auch absolut reizend und liebenswert. Ich weiß schon, da war diese komplett unverzeihliche Ziege.Aber Marion hat das Herz auf dem rechten Fleck und ist wirklich sehr lieb.
Sie hatte jede Menge Bohneneintopf gekocht, ein Gericht, das vermutlich seit 1969 niemand mehr gegessen hat, und servierte dazu sogar diesen saurenWein, den wir in unserer Jugend immer zu Partys mitzunehmen pflegten.Aber das machte mir nichts aus. Es war so schön für mich, mit alten Freunden zusammen zu sein, dass alles ausgesprochen köstlich schmeckte.Wir kamen auf dasAltern zu sprechen und beklagten uns ausgiebig darüber.
» Neulich hab ich mich auf einer Party mit so einem niedlichen jungen Mädchen unterhalten, das gerade mal achtzehn war « , berichtete Marion. » Und weißt du, was sie mich gefragt hat? Ob ich OscarWilde noch persönlich kennen gelernt habe! Sind diese jungen Leute nicht erstaunlich? Keinen FunkenAhnung von Geschichte! «
» Sie sind erstaunlich « , sagte ich. » Aber auch sehr nett. «
Wir einigten uns darauf, dass wir die jungen Menschen von heute sehr gerne mochten. Marion erzählte noch, dass sie sogar manchmal, wenn sie junge Leute bewirtet hat, einen Brief schreibt und sich für deren Kommen bedankt. Obwohl es an sich andersherum ablaufen sollte.
» Na, irgendwer muss ja einen Brief schreiben « , bemerkte ich etwas streng. » Und man weiß ja, dass sie es nicht machen. «
Tim war besonders herzlich zu mir, zwinkerte mir manchmal zu und tätschelte mich ein bisschen– nicht unangenehm, sondern als wollte er sagen: » Wir wissen, was du durchmachst, und sind für dich da. «
Marion organisiert gerade ein Klassentreffen und hat mich gefragt, ob ich auch komme.Wie kann ich da ablehnen?
Ein sehr heitererAbend, und ich fühlte mich viel besser, als ich wieder nach Hause kam. Die Liebe von Freunden ist anders als von der eigenen Familie, aber sie gleicht sich sehr, und Marion ist ein echter Schatz.
» Ruf uns einfach an, wenn’s dir nicht gut geht « , sagte sie. » Wir sind immer da. Und wir freuen uns immer, dich zu sehen. «
Ich habe es wirklich gut. Kann nicht klagen.Aber als ich Pouncer vorsichtig von meinem Bett hob, um für mich selbst Platz zu schaffen, musste ich doch kurz daran denken, was Gene wohl jetzt gerade tat.Vielleicht verdrückte
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