Nein! Ich möchte keine Kaffeefahrt!
endlich ein.
20. Juli
Ein Glück; inzwischen finde auch ich selbst, dass ich ziemlich normal aussehe. Einige der Blutergüsse sind jetzt zum Halsende gewandert, was den Eindruck macht, als hätte mich jemand erwürgen wollen, aber wenn ich einTuch oder einen Rolli trage, fällt das nicht weiter auf. Ich sehe nur noch ein klein bisschen verquollen aus und habe beschlossen, keinen Hehl aus dem Lifting zu machen– wenn ich in die Staaten fahre, werde ich Jack davon erzählen. Ich möchte ihn nur nicht vorher beunruhigen. Übrigens will ich nicht deshalb offen damit umgehen, weil ich ein besonders aufrichtiger und mutiger Mensch bin. Sondern weil ich dieVorstellung nicht leiden kann, dass die Leute hinter meinem Rücken über mein Lifting tratschen, als wäre ich eine alberne, eitle, alte Frau, die heimlich versuchen will, die Zeit zurückzudrehen.Alle sollen wissen, wie alt ich bin und dass ich ein Facelifting hatte. Und wenn sie was dagegen haben, dürfen sie gerne heimgehen.
23. Juli
Sharmie, Brad undAlice waren gerade hier, und sie sind absolut entzückend. Mit typischer amerikanischer Großzügigkeit brachten sie eine Flasche Sekt und Pralinen und einen riesigen Strauß Rosen mit, und ich kam mir furchtbar schäbig vor, weil ich nur warmenWeißwein, Oliven und Cracker anzubieten hatte. Und außerdem ihrWindspiel vernichtet hatte.
Alice ist ein süßes Mädchen. Sie stürzte sich sofort auf die Kiste mit Genes Spielsachen, die imWohnzimmer steht, und vertiefte sich in eine aufregende Geschichte, in der ein Plüschkänguru, ein orangefarbener Frosch und ein blauer Hase mitspielten. Ich sah, dass dann auch noch ein Plastik-Batman auftrat, und sehnte mich danach, mit ihr am Boden zu hocken und in ihre Fantasiewelt einzutauchen.Aber die Erwachsenenwelthatte mich in den Fängen, und ich erstattete ihren ElternBericht über unser Viertel. Ich weihte sie in die Sache mit der Grünanlage ein und berichtete von meinem Baumgemälde-Projekt. Brad erbot sich sofort, als Gutachter anzutreten, sollte es zu Ermittlungen kommen. Beide wollten unbedingt in denAnwohnerverein eintreten. Dann erzählte ich von Pfarrer Emmanuels evangelischer Kirche und der Moschee, deren Gelände sowohl an ihren als auch an meinen Garten grenzte.
» Wir sind nicht so begeistert von der Moschee, Marie « , äußerte Brad daraufhin.
» Weißt du, was die gemacht haben? « , sagte Sharmie und nahm sich einen Cracker. » Sie haben doch wahrhaftig dasWindspiel in unserem Garten abgeschnitten. «
» Kann ich nicht begreifen « , fügte Brad hinzu. » Ich meine, was kann man gegen einWindspiel haben? «
» Wir glauben, dass es was mit deren Glaubensvorstellungen zu tun hat « , warf Sharmie ein. » Sie haben etwas gegen Musikinstrumente. Und vielleicht hat das Geräusch die Gebete gestört? «
» Aber wir unternehmen nichts « , ergänzte Brad. » Wir wollen keinen heiligen Krieg anfangen. Deshalb lassen wir es auf sich beruhen. «
» Vor allemAlice hat sich aufgeregt « , sagte Sharmie und nahm sich mit ihren makellosen Fingernägeln eine Olive. » Sie hatte dieses zauberhafteWindspiel von ihrer Oma in Florida bekommen. Und Oma hatte ihr gesagt: ›immer wenn du dieses Klingeln hörst, mein Schatz, kannst du an mich denken und weißt, dass ich an dich denke.‹ Ist das nicht süß? «
An diesem Punkt beschloss ich, mich in japanischem Stil zu entleiben. Ein Geschenk der Großmutter! Hätte ich das gewusst, hätte mich das Geklimper doch nicht gestört! Ich wurde rot und röter und war kurz davor, alles zu gestehen, alsAlice sich zuWort meldete. » Aber Oma schickt mir ein neues, und das hängen wir dann in meinem Schlafzimmer auf, damit diese schrecklichen Moschee-Leute nicht drankommen! «
» Gute Idee! « , sagte ich mit erstickter Stimme.
Zu allem Überfluss wollten sie dann auch noch unbedingt meine vier Baumbilder sehen, die ich bislang gemalt hatte, und überschlugen sich fast vor Begeisterung. Brad erkundigte sich sogar, ob er alle Bilder kaufen könne, wenn der Zyklus vollständig sei. » AlsAndenken an unsere schöne Zeit in London « , fügte er hinzu.
Als sie aufbrachen, fühlte ich mich so entsetzlich, dass ich bereitwillig schnurstracks in die Hölle marschiert wäre, wenn Pfarrer Emmanuel mir die Pforte gezeigt hätte.
24. Juli
Soeben war wieder einTreffen desAnwohnervereins, und Sharmie und Brad von nebenan haben auch teilgenommen. Brad erweist sich als genial. Er hat nur einen Blick auf dieWebsite des Stadtrats geworfen und
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