Nein! Ich möchte keine Kaffeefahrt!
und sich unter denArmen und zwischen den Beinen absprüht, wird man an diesen Stellen nicht sauber. Scheußlich umständlich. Und überdies brauche ich morgens nicht nur den » Hetzkurier « , um mich in Schwung zu bringen, sondern auch ein heißes Bad, um meine Gelenke zu entrosten. Duschen reicht da nicht.
Ein weiterer Nachteil von Duschkabinen ist, dass Gene nicht darin spielen kann. Bei mir zuhause war Genes abendliches Bad immer ein wahres Fest mit Plastikenten und Fischkämpfen undTauchabenteuern. Manchmal kroch er unter meineAntirutscheinlage, drehte sie um, so dass die Saugnäpfe außen waren, und spielte Oktopus. Oder ich war die Friseurin, die seine Haare wusch, allerhand Späße mitWaschlappen und Schwämmen machte und am Ende fragte: » Und möchten Sie noch etwas Schaum, mein Herr? « Die ganzeAngelegenheit nahm gut eine Stunde inAnspruch.Arme amerikanische Kinder. Ihnen entgeht ein wunderbar lautes Badevergnügen.
Wenigstens hatten Gene und ich noch Spaß mit dem Handtuch. Ich finde es hinreißend, wenn der Kleine blitzsauber ist und sein glänzendes rotes Gesicht aus dem Handtuch späht und er den Flur entlangsaust und ich ihn verfolge (ohneTreppen ist diese Jagd nicht ganz so spannend, aber immerhin) und ihn dann mit dem Handtuch als Römer verkleide oder ihm einen riesigenTurban daraus mache, so dass er wie ein Maharadscha aussieht.
Bevor er heuteAbend schlafen ging, probierte ich aus, ob derTeil des Pullovers, den ich neu begonnen hatte, nun besser passte. Scheint diesmal zu klappen, könnte höchstens ein bisschen zu groß sein. Dann kuschelte Gene sich unter die Decke, und wir unterhielten uns.
» Du hättest auch Popeye gucken sollen « , erzählte er. » Popeye wollte nämlich in den Zirkus, und da kam Bluto mit diesem großen Mann, und da war dieser Ofen, und Olive Oyl war da drin, und dann hat es Knall gemacht, und dieser Mann, nicht Bluto, sondern der andere, der wurde von dem Drachen erwischt, und Popeye ist auf dem Fahrrad gefahren… «
Die Handlung eines Films wiederzugeben, beherrscht offenbar niemand, nicht einmal Kinder.
» Ach, wirklich? « , sagte ich. » Klingt aufregend. «
» Es war aber nicht aufregend, Oma « , widersprach Gene ungehalten. » Es war lustig. Du hast nicht richtig zugehört. Jetzt hör richtig zu. Dann kam Bluto zurück, und dann war da der große Knall, und… «
Ich muss zugeben, dass ich in diesem Moment aus unerfindlichen Gründen plötzlich Louis vor mir sah. Seine Karte habe ich inzwischen wirklich weggeworfen.Wäre doch unmöglich, ihn anzurufen. Und dennoch fragte ich mich, ob wir uns tatsächlich wiedersehen würden. Irgendwie hoffte ich das schon, musste ich mir eingestehen.
4. Oktober
GesternAbend kam ein amerikanisches Paar zum Essen. Der Mann war Psychologe im Ruhestand, betreute aber noch einige Forschungsprojekte, und Jack hoffte, vielleicht für ihn arbeiten zu können. Sie kamen um halb sieben– dieAmerikaner haben sonderbare Essenszeiten– und wollten nichts außer Mineralwasser trinken. Zum Glück hatte Jack für mich und ChrissieWeißwein im Haus.
Der Mann, Lennie, war einer dieser traditionellen amerikanischen Männer: graue Haare, Hemd von Brooks Brothers, exzellente Manieren, hochgebildet, interessiert an allem, aber vollkommen unverbindlich. Man konnte sich hervorragend mit ihm unterhalten, und er schien erfreut zu sein über mein Interesse an ihm. Dennoch kam er mir nicht wie ein menschlichesWesen vor. So ungreifbar. Er war achtundsiebzig, und als wir irgendwann dasThema Krankheit undTod streiften, sagte er lächelnd: » Ach, das ist kein gutes Gesprächsthema für einen schönenAbend wie diesen! « Ich erwiderte: » Weshalb denn nicht? Ist derTod nicht eines der interessantestenThemen für alte Menschen wie uns? « Doch er lächelte unbeirrt weiter und fragte: » In welchemViertel von London wohnen Sie denn? « Und mir wurde klar, dass es extrem unhöflich gewesen wäre, auf meinemThema zu beharren.
Seine Frau Martha hätte man früher als » Blaustrumpf « bezeichnet. Sie hatte einenAbschluss vomVassar College und war eindeutig überzeugte Feministin. Martha war zierlich und lebhaft, hatte so eine dunkle, kehlige Stimme wie Lauren Bacall und sprach sehr laut. Sie trug Seidenhosen, hatte einen krausen grauen Haarschopf, und ihr runzliges Gesicht war quasi ungeschminkt.
Beim Essen sagte sie unvermittelt: » Als Feministin… und da spreche ich sicher auch für die anderen Frauen hier… « Ist mir schon peinlich, aber ich
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