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Nein! Ich möchte keine Kaffeefahrt!

Nein! Ich möchte keine Kaffeefahrt!

Titel: Nein! Ich möchte keine Kaffeefahrt! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V Ironside
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konnte mich nicht beherrschen und fiel ihr insWort: » Ach, für mich nicht, Martha. Ich bin keine Feministin. Ich glaube nur an die Gleichberechtigung. « Das brachte die Unterhaltung etwas ins Stocken, weshalb ich dann, als sie auf Jane Fonda zu sprechen kam und die Meinung vertrat, sie hätte durch ihr Lifting dieWerte der Frauenbewegung verraten, schön den Mund hielt.
    » Ich würde mich niemals liften lassen « , verkündete Martha. » Das seht ihr sicher auch so. Mein Gesicht ist schließlich ein Palimpsest, in dem meine gesamteVergangenheit verzeichnet ist– meine seelische Reise–, das Lachen, die Schmerzen. Die Freude! Ich bin doch ein menschlichesWesen! Ich will nicht, dass die Geschichte aus mir getilgt wird! Und man merkt es ja auch immer « , fuhr sie fort und blickte wissend in die Runde. » Ich weiß immer, wenn an einer Frau herumgeschnippelt wurde, Sie nicht auch? « Sie tätschelte mir schwesterlich das Knie. » Diese Gesichter sind immer künstlich und ausdruckslos. «
    » Ein schlechtes Lifting bemerkt man tatsächlich « , äußerte ich diplomatisch. » Ist das nicht wie bei einem gut oder schlecht ausgeführten Mord? «
    Martha blickte etwas verdattert. » Ich weiß nicht, wie Sie das mit dem Mord meinen « , sagte sie und lachte. » Aber ich beobachte, dass alte Menschen sich entweder liften lassen und krampfhaft versuchen, jung zu bleiben, oder sie geben einfach auf. Manche Menschen in meinemAlter haben die Fähigkeit zum Staunen verloren. Nichts kann sie mehr überraschen. Das finde ich so traurig. «
    » Ich staune auch nicht mehr « , erwiderte ich recht patzig. » Und ich finde das großartig. Ich lege mehrWert auf Lebenserfahrung undWeisheit. Mich erstaunt oder überrascht nicht mehr vieles, und ich empfinde das als ausgesprochen angenehm, kann ich Ihnen sagen! Meine Liebe « , fügte ich dann noch hinzu, um meinenWorten die Spitze zu nehmen.
    Das brachte die arme alte Martha etwas aus demTritt, weshalb ich ihr später sagte, dass sie wunderbar aussehe. Um meinenAusrutscher wieder wettzumachen, heuchelte ich dann beim Gespräch über Bücher große Überraschung– quasi Erstaunen– über ihre ziemlich klischeehaftenAnsichten.Auweh, eine der schlimmenTücken desAlters ist, dass man den Mund nicht halten kann. Und dabei sindAmerikaner so versessen darauf, sich das Leben schönzureden. » Was einen nicht umbringt, macht einen härter « , äußerte Martha mehrmals. Dabei dachte ich jedes Mal: Was einen nicht umbringt, verletzt einen und hinterlässt üble Narben.Als sie sagte: » Wenn sich eineTür schließt, öffnet sich eine andere « , hätte ich am liebsten erwidert: » Wenn sich eineTür schließt, wird einem die nächste vor der Nase zugeschlagen. « Aber ich vermute mal, meineAnsichten zu ihren offenbar aufrichtig empfundenen Plattitüden wären nicht allzu gut angekommen.
    » Tut mir furchtbar leid, ich hätte mich bei demThema mit dem Staunen und dem Mord viel mehr zurückhalten müssen « , sagte ich zu Chrissie, als wir später gemeinsam denTisch abräumten.
    » Ach, Unsinn. Jemand muss ihnen mal die Meinung sagen. Das ist das Problem mit denAmerikanern.Weißt du, Marie, ich fühle mich hier manchmal so extrem europäisch, ich weiß gar nicht, wie ich das beschreiben soll. In England habe ich mich nie europäisch gefühlt, aber hier komme ich mir wie ein italienischer Olivenbauer oder ein alter österreichischer Philosoph vor. Die Mentalität ist so anders. Man muss immer nur fröhlich sein. Ich fühle mich hier manchmal schon ein bisschen einsam, kann ich dir sagen. Es tut Leuten wie ihnen gut, wenn sie mal andereAnsichten zu hören kriegen. Und war es nicht superkomisch, als sie von dem Lifting anfing? Ich konnte mich kaum beherrschen! «
    Ich war Chrissie dankbar, weil ich mir ziemlich unhöflich vorgekommen war. Und natürlich freute ich mich insgeheim, dass meine Familie sich doch nicht so nahtlos in die amerikanische Gesellschaft einfügte, wie sie mir das wohl gerne vermittelt hätte.
    Als ich mich ins Bett legte, habe ich wieder die Heizdecke eingeschaltet, die sie mir gegeben haben. Draußen ist es wie in der Sauna, aber in derWohnung wird es so kalt– obwohl dieArcon inzwischen repariert ist–, dass man eine Heizdecke braucht, um nicht zu erfrieren.
    5. Oktober
    Heute war Gene in der Schule. Bin durch die Gegend spaziert und habe mich recht verloren gefühlt. Und außerdem völlig zerlegt, wieArchie immer zu sagen pflegte, durch die sonderbare Wärme. Diese

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