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Nein sagen und trotzdem erfolgreich verhandeln: Vom Autor des Harvard-Konzepts (German Edition)

Nein sagen und trotzdem erfolgreich verhandeln: Vom Autor des Harvard-Konzepts (German Edition)

Titel: Nein sagen und trotzdem erfolgreich verhandeln: Vom Autor des Harvard-Konzepts (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Ury
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einigermaßen flexibel sind, sollten Sie diejenige Person sein, die mit dem Kunden verhandelt; sonst wird er sich auch in Zukunft immer an die Chefin wenden und Sie auf die Rolle des Boten reduzieren. Wenn der Kunde nun tatsächlich damit droht, Ihre Vorgesetzte zu kontaktieren, können Sie ihm getrost antworten: »Jederzeit. Hier ist ihre Telefonnummer.« Und schon haben Sie dem Kunden den Stock aus der Hand genommen.
    Die Strategie, den anderen zu entwaffnen, ohne ihn anzugreifen, wurde mit großer Wirkung im Jahr 1962 bei der Kubakrise eingesetzt. Ich hatte das große Privileg, bei einem Zusammentreffen in Moskau im Jahr 1989 anwesend zu sein, bei dem sich viele der noch lebenden politischen Entscheidungsträger versammelt hatten. Gebannt hörten meine Kollegen und ich zu, wie der ehemalige US-Verteidigungsminister Robert McNamara, der ehemalige Sicherheitsberater McGeorge Bundy, der ehemalige sowjetische Außenminister Andrej Gromyko, der ehemalige Sowjetbotschafter Anatoly Dobrynin sowie andere Beteiligte versuchten, noch einmal nachzuvollziehen, was in jenen angespannten 13 Tagen wirklich geschehen war, als die Zukunft der Welt am seidenen Faden hing.
    Ich habe vieles aus diesem Zusammentreffen gelernt, aber eine Lektion war die wichtigste: Ich erkannte, wie nahe wir, ohne es zu wollen, dem Weltuntergang durch die Nuklearkatastrophe gewesen waren, und wie glücklich wir uns schätzen können, dass die Unterhändler der USA und der damaligen Sowjetunion so geschickt mit ihrem Nein umgehen konnten. Die Fakten sind Ihnen wahrscheinlich bekannt: Die Amerikaner hatten entdeckt, dass die Sowjets per Schiff mit Atombomben bestückte Mittelstreckenraketen in Kuba stationiert hatten, die auf die USA gerichtet waren. Präsident Kennedy wusste, dass er die Sowjets aufhalten musste, war sich aber nicht schlüssig, wie er das bewerkstelligen konnte, ohne einen Dritten Weltkrieg anzuzetteln. Also betraute er seine engsten politischen und militärischen Ratgeber mit der Ausarbeitung eines Plans. Dieser Plan B, den sie für den Fall entwarfen, dass die Diplomatie fehlschlug, bestand in einer Invasion Kubas aus der Luft. Während dieser ersten beiden Verhandlungstage hatten sie keinen anderen Plan. Im Zuge unserer nachträglichen Analyse bei der Moskauer Konferenz stellte sich jedoch heraus, dass dieser Plan B, der beinahe in die Tat umgesetzt worden wäre, aller Wahrscheinlichkeit nach verheerende Folgen gehabt hätte. Der US-Regierung war damals nämlich nicht bekannt gewesen, dass die Sowjets über 40 000 Soldaten in Kuba stationiert hatten. Auch die Kubaner verfügten über eine 250 000 Mann starke, gut ausgebildete Truppe. Im Fall eines amerikanischen Angriffs waren die sowjetischen Streitkräfte autorisiert, Nuklearwaffen einzusetzen, von denen einige bereits aktiviert waren.
    »Bei dieser Erkenntnis sträubten sich uns die Haare«, sagte Robert McNamara. »Wenn die USA tatsächlich in Kuba einmarschiert wären, wenn die Nuklearwaffen nicht abgezogen worden wären, wäre dies mit 99-prozentiger Wahrscheinlichkeit der Beginn eines Nuklearkriegs gewesen.«
    Unterstützt vom Bruder des Präsidenten, Robert Kennedy, suchten die politischen und militärischen Ratgeber glücklicherweise nach einem kreativeren Plan B, der sich nicht auf Angriff konzentrierte, sondern darauf, dem Gegner den Stock wegzunehmen. Der Plan bestand in einer von Kennedy als »Quarantäne« bezeichneten Seeblockade für Kuba, durch die die sowjetischen Boote daran gehindert werden sollten, weitere Nuklearwaffen nach Kuba zu bringen. Durch diese Blockade gelang es Kennedy, sein Nein zu unterstreichen und sich wertvolle Zeit für ein geheimes diplomatisches Treffen von Robert Kennedy und Anatoly Dobrynin zu erkaufen. Das Ergebnis war eine informelle Einigung: Sowjetische Raketen sollten aus Kuba abgezogen werden, und im Gegenzug verzichtete Präsident Kennedy auf eine Invasion und erklärte sich bereit, die amerikanischen Nuklearraketen aus der Türkei zu entfernen.
    Ohne diesen konstruktiven Plan B und die geschickte Diplomatie, die daraus erwuchs, wären wir vielleicht heute nicht hier.
    Stellen Sie sich vor, was schlimmstenfalls passieren könnte
    Manchmal kann es auch nützlich sein, sich das Worst-Case-Szenario auszumalen. Was ist das Schlimmste, das Ihr Gegenüber Ihnen antun kann, wenn Sie Nein zu ihm sagen? Damit soll nicht unnötige Angst erzeugt werden, sondern wir sollen lernen, zwischen Befürchtungen und Realität zu unterscheiden. Wie ein

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