Nein sagen und trotzdem erfolgreich verhandeln: Vom Autor des Harvard-Konzepts (German Edition)
beispielsweise entwarfen die Möglichkeit, das für die Produktion notwendige Ersatzteil unabhängig vom Lieferanten herzustellen.
Steigen Sie aus. Ein weiterer unilateraler Schritt zur Selbsthilfe ist der Ausstieg. Was würde es für Sie bedeuten, die Situation oder die Beziehung mit dem anderen aufzugeben? Ein Angestellter, der unter einem schwierigen Vorgesetzten zu leiden hat, könnte sich über alternative Jobangebote innerhalb oder außerhalb des Unternehmens schlaumachen. Ein Händler, der Nein zu einem schwierigen Kunden sagen muss, sieht sich nach anderen Kunden um. Eine Frau, die von ihrem Partner schlecht behandelt wird, kann sich vornehmen, mit ihren Kindern Zuflucht im Frauenhaus zu suchen. Eine Anwältin aus meinem Bekanntenkreis sollte an einem Projekt mitarbeiten, das sie »moralisch verwerflich und widerwärtig« fand. Sie konnte sich effektiv mit einem Nein dagegen verwahren, weil sie schon im Vorfeld die Entscheidung getroffen hatte, »zu kündigen, wenn mein Nein nicht akzeptiert werden würde«.
Die dritte Seite. Es gibt auch trilaterale Alternativen. Können Sie vielleicht einen Außenstehenden um Hilfe bitten, wenn Sie mit Ihrem Gegenüber auf den ersten Blick keine Einigung erzielen können? Wenn ein Nachbar ständig laute Musik spielt, könnten Sie vielleicht den Hausverwalter bitten, sich einzuschalten, oder das Thema bei der Eigentümerversammlung anzuschneiden. Wenn Ihr Kollege ständig die Sekretärin in Beschlag nimmt, sodass sie die Aufgaben, die sie für Sie zu erledigen hat, zugunsten seiner Arbeiten aufschiebt, müssen Sie sich vielleicht an Ihren gemeinsamen Vorgesetzten wenden. Und last, but not least kann Ihr Plan B auch in einer gerichtlichen Einigung bestehen – ähnlich wie bei Rosa Parks, die ihren Fall bis hin zum Supreme Court verfolgte.
Zwischenschritte und endgültige Pläne. Wenn Sie mit Ihrem Gegenüber keine Einigung erzielen können, müssen Sie auch nicht gleich auf Ihren kompletten Plan B zurückgreifen, sondern können einen kleineren Zwischenschritt anstreben. Sie können eine Folge von Plänen schmieden, die von der kleinstmöglichen Teillösung bis hin zum endgültigen, großen Plan reichen. Eine Restaurantkette sah sich mit der Herausforderung konfrontiert, einen Franchisenehmer abzumahnen, der den mit dem Firmennamen verbundenen Qualitätsstandards nicht gerecht wurde. Man entschloss sich, einen mittelfristigen Plan B in die Tat umzusetzen, und räumte dem Franchisenehmer eine Probezeit ein. Der letztendliche Plan B, falls der Franchisenehmer sein Restaurant nicht dem erforderlichen Niveau anpasste, bestand darin, ihm den Markennamen abzuerkennen.
Gewinnen durch Verbündete
Wenn Ihr Verhandlungspartner mehr Macht hat als Sie selbst, könnte Ihr Plan B darin bestehen, sich mit Gleichgesinnten zusammenzutun.
In meinen Seminaren erzähle ich gern die Geschichte des weisen Zen-Lehrmeisters, der seinen Studenten eine Lektion erteilt, indem er einen von ihnen bewusst in die Zwickmühle bringt. Als ein Schüler eine Tasse Tee an die Lippen führt, sagt der Meister: »Wenn du diese Tasse Tee trinkst, schlage ich dich mit dem Stock. Und wenn du diese Tasse Tee nicht trinkst, schlage ich dich ebenfalls mit dem Stock.«
Dann stelle ich meinen Kursteilnehmern folgende Frage: »Was würden Sie tun, wenn Sie an der Stelle des Studenten wären?«
Die häufigste Antwort lautet: »Ich würde den Tee trinken. Wenn ich sowieso Schläge bekomme, kann ich ihn auch genießen.« Eine weitere häufige Antwort lautet: »Ich würde ihm den Tee ins Gesicht schütten.« Dies sind die beiden klassischen Antworten auf höhere Gewalt: Unterwerfung, weil man keine Wahl hat, und Angriff. Doch keine dieser beiden Alternativen ist wirklich befriedigend.
Dann fangen meine Seminarteilnehmer an, bei ihren Antworten ihre Fantasie einzusetzen: »Ich würde ihm den Tee anbieten.« »Ich würde ihn fragen, warum.« »Ich würde endlos für diese Tasse brauchen, damit er nicht sagen kann, ob ich trinke oder nicht trinke.« Und so weiter.
Doch so viele Antworten sie auch finden, fast immer übersehen sie eine weitere Alternative – nämlich die, sich Verbündete zu suchen. Meiner Ansicht nach liegt das daran, dass wir vor unserem geistigen Auge nur den Meister und den Studenten sehen. Allzu häufig vergessen wir, dass noch andere Lernende zugegen sind. »Helft mir, Freunde«, könnte man den anderen Anwesenden zurufen. Und obwohl der Meister mit dem Stock mächtiger sein mag als der
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