Nein sagen und trotzdem erfolgreich verhandeln: Vom Autor des Harvard-Konzepts (German Edition)
Gegenüber leichter machen, Ihr Nein zu akzeptieren und Ihre Bedürfnisse zu respektieren? Wie können Sie einen Kommunikationskanal öffnen, der es dem anderen ermöglicht, Ihr Nein im Wesentlichen als positiv aufzufassen?
Das Problem bei den meisten Neins liegt darin, dass es bei unserem Gegenüber als persönliche Zurückweisung, als Affront ankommt. Auch wenn es gar nicht in unserer Absicht liegt, hört der andere möglicherweise die verborgene Botschaft heraus: »Du und deine Interessen sind unwichtig.« Es ist nur menschlich, sich angesichts eines Neins in einer wichtigen Sache beschämt, verletzt, ausgeschlossen oder sogar gedemütigt zu fühlen. Ein Nein ist negativ und ablehnend. Deshalb wird unser Gegenüber sich unseren Argumenten sehr wahrscheinlich verschließen und vielleicht zum destruktiven Gegenschlag ausholen, sodass unsere Beziehung Schaden nimmt.
Als ich eingeladen wurde, bei den heftigen politischen Auseinandersetzungen zwischen Regierung und Opposition in Venezuela als neutraler Beobachter zu vermitteln, musste ich verblüfft feststellen, dass der leidenschaftliche Zorn der Anführer auf beiden Seiten nicht von den politischen Themen der Macht und Kontrolle bestimmt wurde, sondern von der Geringschätzung, die ihnen von ihren jeweiligen Gegnern entgegengebracht wurde. Der Präsident des Landes, Hugo Chávez, echauffierte sich mir gegenüber darüber, dass seine Feinde ihn als mono bezeichneten, als Affe also, was er durch eine affenartige Grimasse unterstrich. Gleichzeitig beklagte sich der Oppositionsführer bitter bei mir, dass er, als er versucht hatte, in der Kathedrale zu beten, wie er es sein ganzes Leben über getan hatte, auf offener Straße verhöhnt und bedroht worden war, und das nur, weil President Chávez ihn als »Volksfeind« denunziert hatte. Besonders auffällig auf beiden Seiten waren die Gefühle der Scham und Demütigung, die durch die offen zur Schau gestellte persönliche Geringschätzung hervorgerufen wurden – und sie erhöhten die Wahrscheinlichkeit zu Eskalation und Gewaltbereitschaft beträchtlich.
Ein Mangel an Achtung fordert auf allen Ebenen seinen Tribut, ob im Berufsleben oder in der Familie. Hören Sie sich in diesem Zusammenhang den Kommentar Lindas an, die ihre Tochter Emily durch ihr Nein auf sozialer Ebene bloßstellte. »Emily hatte ein paar Freundinnen da, und ich schimpfte sie in ihrem Beisein aus, dass sie erst ihre Hausaufgaben zu erledigen habe, bevor sie sich mit anderen traf. Später sagte Emily zu mir: ›Was glaubst du, wie ich mich fühle, wenn du mich vor meinen Freundinnen anschreist?‹ Plötzlich wurde mir klar, wie peinlich es für sie gewesen sein musste. Ich brauche mich schließlich nur zu fragen, wie ich empfände, wenn mich jemand im Beisein eines Kunden kritisieren würde. Außerdem erkannte ich, dass ich Emily viel eher zur Erledigung ihrer Hausaufgaben motivieren konnte, wenn ich sie respektvoll darum bat – und zwar unter vier Augen.«
Wenn wir den anderen dazu bewegen wollen, schließlich doch Ja zu sagen, besteht das Geheimnis darin, ihn nicht zurückzuweisen, sondern das Gegenteil zu tun: ihn zu respektieren. Unser Respekt, unsere Achtung sollte unserem Nein den Stachel nehmen und es kompensieren. Mit Achtung meine ich nicht Anpassung, sondern einfach nur die positive Aufmerksamkeit, die wir dem anderen schenken, indem wir ihm zuhören und ihn als gleichberechtigten Mitmenschen behandeln. Vermeiden Sie es, ihn in seiner Würde zu verletzen – schließlich wollen auch Sie sich Ihr Gefühl der Würde bewahren.
Nehmen Sie Ihren Mitmenschen gegenüber eine positive und respektvolle Haltung ein
Die Macht des Respekts und der Achtung lässt sich in einer Geschichte aus dem richtigen Leben zusammenfassen, die ich vor vielen Jahren hörte. Terry Dobson, ein junger Amerikaner, der in Japan Aikido, eine japanische Selbstverteidigungstechnik, erlernte, sah sich eines Tages mit der Herausforderung konfrontiert, Nein zum gefährlichen Verhalten eines Mitmenschen zu sagen.
Es war ein träger Frühlingsnachmittag. Der Zug schepperte und ratterte durch die Vororte Tokios. Unser Abteil war vergleichsweise leer – ein paar Hausfrauen mit ihren Kindern, ein paar alte Leute, die zu einem Einkaufsbummel unterwegs waren. Geistesabwesend sah ich die eintönigen Häuser und die staubigen Hecken an mir vorüberziehen.
An einer Haltestelle öffneten sich die Türen, und plötzlich wurde die Nachmittagsstille durch die wilden und
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