Nein sagen und trotzdem erfolgreich verhandeln: Vom Autor des Harvard-Konzepts (German Edition)
respektvoller Umgang miteinander ist nicht nur sinnvoll, weil er richtig ist, sondern auch, weil er wirkungsvoll ist. Respektieren Sie den anderen um Ihrer selbst willen.
Es gibt zwei Hauptwege, um Ihre positive Haltung des Respekts zu demonstrieren: Zuhören und Anerkennung.
Hören Sie aufmerksam zu
Der einfachste Weg, um dem anderen Ihre Achtung zu erweisen, besteht vielleicht darin, ihm mit positiver Aufmerksamkeit zuzuhören. Versuchen Sie genau herauszufinden, was der andere Ihnen zu vermitteln versucht. Achten Sie auf seine eigentlichen Interessen und Bedürfnisse. Denken Sie daran, dass Gott uns aus gutem Grund zwei Ohren und einen Mund geschenkt hat.
Vor vielen Jahren war ich bei einer Talkshow zu Gast. Eine Anruferin fragte um Rat, wie sie mit ihrem fünfjährigen Sohn umgehen sollte, der sie schier zur Verzweiflung brachte. »Er hört mir einfach nicht zu! Was kann ich tun?« Ich dachte einen Augenblick lang nach und fragte die Anruferin: »Na ja, hören Sie ihm denn zu?« Am anderen Ende der Leitung entstand eine Pause, bevor sie antwortete: »Nein, aber …«
Wenn der andere Sie beleidigt hat, haben Sie wahrscheinlich gar keine Lust, genau auf seine Worte zu achten. »Warum sollte ich?«, denken Sie vielleicht. »Er sollte lieber mir zuhören!« Aber das können Sie nur erwarten, wenn Sie mit gutem Beispiel vorangehen. Im Rahmen des positiven Neins kann Zuhören eine höchst effektive Methode sein, um den anderen dazu zu bringen, Ihre Botschaft zu verstehen.
Bei zähen Verhandlungen zwischen Gewerkschaft und Firmenleitung, die direkt in die Sackgasse eines destruktiven Streiks zu münden drohten, beschloss der Gewerkschaftsvertreter einen neuen Ansatz zu verfolgen, bevor er dem Management sein Nein entgegensetzte. Statt Klagen über die wirtschaftliche Misere mit ähnlichen Tiraden zu beantworten, hörte er einfach nur zu. Er schenkte den Worten der Firmenleitung aufrichtige Aufmerksamkeit. Er stellte viele Fragen. Seine Kontrahenten reagierten verblüfft – das war noch nie passiert. Nach eigener Aussage hatten sie plötzlich das Gefühl, dass man ihnen zuhörte und sie respektierte. Sie benutzten genau dieses Wort – respektieren . Im Gegenzug begannen auch sie, den Gewerkschaftsvertretern mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Diese überraschende Übung in gegenseitigem Zuhören erwies sich als der Wendepunkt der Verhandlungen. Der verheerende Streik, der allgemein erwartet wurde, konnte verhindert werden. Es ist zwar nicht ganz einfach, wirklich zuzuhören, aber es lohnt sich.
Zeigen Sie Ihre Achtung vor dem anderen, indem Sie ihn zu Wort kommen lassen. Vermeiden Sie Unterbrechungen. Im Gegenteil: Wenn der andere fertig ist, überraschen Sie ihn auf positive Weise mit der Frage, ob er möglicherweise noch weitere Anmerkungen zu machen hat. Es ist bemerkenswert, wie viel nützliche Information man durch einfaches Zuhören erhalten kann und wie viel effektiver Ihr Nein dadurch werden kann.
Hören Sie zu, um zu verstehen, nicht um zu widerlegen
In schwierigen Situationen hören wir häufig nur zu, um die Worte des anderen zu widerlegen. Wir betrachten unser Gespräch als Debatte, in der wir Punkte sammeln können. Bei einem Streitgespräch ist das sicher angemessen, aber mit echtem Zuhören hat es nur wenig zu tun. Hier liegt das Hauptaugenmerk nicht darauf, die Worte des anderen zu hören oder im Kopf zu behalten, sondern es geht vielmehr darum, ihre eigentliche Bedeutung zu erfassen.
»Unsere wahre Philosophie lautet: ›Rede mit mir‹«, erklärt Hugh McGowan, der bei zahlreichen Geiselnahmen als Verhandlungsführer eingesetzt wurde. »Sie lautet nicht: ›Ich bin am Telefon, also hör mir gefälligst zu, und lass jetzt sofort die Waffe fallen, sag ich dir! Bum, bum, Klappe zu, Affe tot.‹ Darum geht es uns nicht. Vielmehr lautet die Botschaft: ›Sehr geehrter Herr Geiselnehmer, Herr verbarrikadiertes Individuum, bitte teilen Sie mir mit, wo genau das Problem liegt. Was ist los? Was können wir unternehmen, um Ihnen in Ihrer Situation zu helfen? Reden Sie mit mir.‹«
Genau wie die Verhandlungsführer bei der Polizei ihr Nein dadurch beginnen, dass sie dem Geiselnehmer zuhören, so verschaffen auch Sie Ihrem Nein einen guten Start, wenn Sie sich in die Lage Ihres Gegenübers versetzen. Wenn Sie verstehen, wie er die jeweilige Situation empfindet, können Sie ihn oft viel besser beeinflussen und überreden, Ihrem Vorschlag zu folgen.
Genau wie Sie die Motive für Ihr eigenes Nein erkundet
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