Nein sagen und trotzdem erfolgreich verhandeln: Vom Autor des Harvard-Konzepts (German Edition)
und Ihre eigentlichen Interessen, Bedürfnisse und Werte erforscht haben, so können und sollten Sie es auch bei dem anderen handhaben. Fragen Sie sich, welche tatsächlichen Interessen hinter seiner Bitte oder Forderung stehen. Welche Bedürfnisse könnten seinem problematischen Verhalten zugrunde liegen? Lassen Sie bei Ihrer Suche nach Antworten nicht locker. Vielleicht können Sie die Interessen Ihres Gegenübers ja nicht immer befriedigen, aber sie zu verstehen und ernsthaft zu berücksichtigen ist eine wichtige Voraussetzung, damit der andere Ihr Nein akzeptiert und die Beziehung zu ihm nicht leidet.
Möglicherweise befürchten Sie, dass es Ihre Urteilskraft und Entschlossenheit schwächt, wenn Sie sich in die Lage des anderen versetzen. Aber selbst, wenn es sich um Ihren Todfeind handelt, denken Sie immer an die goldene Regel der Kriegsführung: Lerne deinen Feind genau kennen!
Während seiner Inhaftierung lernte Nelson Mandela als erstes Afrikaans, die Sprache seiner Feinde. Viele seiner Anhänger waren überrascht, ja sogar schockiert, aber er ließ sich nicht beirren und forderte sie auf, es ihm gleichzutun. Anschließend befasste Mandela sich intensiv mit der Geschichte der Afrikaander und der Tragödie des Burenkriegs, wobei er ein grundlegendes Verständnis für ihren psychologischen und kulturellen Hintergrund entwickelte. Tatsächlich lernte er dadurch, die Afrikaander aus ganzem Herzen zu respektieren – wegen ihres Strebens nach Unabhängigkeit, wegen ihrer religiösen Hingabe und wegen ihres Mutes im Kampf. Dieses Verständnis für die andere Seite erwies sich später als enorm hilfreich, als er die Regierung davon überzeugen wollte, sein unverblümtes Nein zu dem grausamen und ungerechten System der Apartheid zu akzeptieren.
Stellen Sie klärende Fragen
Wenn Sie nicht wissen, warum der andere etwas Unangemessenes von Ihnen verlangt oder sich nicht korrekt verhält, sollten Sie sich nicht aufs Raten verlegen, sondern konkrete Fragen stellen. Formulierungen wie: »Worin liegt das Problem?« oder »Können Sie mir helfen, Ihre Bedürfnisse besser zu verstehen?« sind dabei sehr hilfreich.
Stellen Sie sich vor, Sie müssten einer spezifischen Anforderung Ihres Hauptkunden mit Nein begegnen. Mit diesem Dilemma sahen sich die Software-Entwickler einer großen, bekannten Computerfirma konfrontiert, deren Kunde permanent Lösungen verlangte, die auf seine spezifischen Geschäftsprozesse abgestimmt waren. Der Grund dafür lag darin, dass die Entscheidungsträger nur über ein begrenztes Verständnis der Software-Technologie verfügten. Lange Zeit sagten die Entwickler Ja, weil sie guten Kundendienst bieten wollten, aber die Lösungen erwiesen sich als zu zeitaufwändig und zu teuer. Der Kunde war unzufrieden und das Management der IT-Firma beklagte die Höhe der Kosten. Doch ein unverblümtes Nein hätte den Kunden ausgesprochen unglücklich gemacht.
Dann entdeckte das Software-Team die Vorzüge der Frage »Warum?«, durch die man die eigentlichen Bedürfnisse des Kunden herausfinden konnte. So stellte man beispielsweise die Frage: »Warum kann diese oder jene Funktion Ihnen helfen?« Zuerst reagierte der Kunde zögerlich. Man war es nicht gewohnt, mit Technikexperten über wirtschaftliche Bedürfnisse zu reden. Aber als man entdeckte, dass bereits diverse Programmfunktionen existierten, die für die eigenen Zwecke rekonfiguriert werden konnten – was sowohl Bearbeitungszeit als auch Kosten drastisch reduzierte –, zeigte man sich gleich viel aufgeschlossener. Und genau darin besteht die Macht der klärenden Fragen.
Manchmal liegt unserem Nein einfach ein Missverständnis zugrunde oder uns sind nicht sämtliche Fakten bekannt. Eine Methode, um Ihrem Gegenüber Achtung zu erweisen, besteht darin, immer das Günstigste von ihm anzunehmen – bis Sie die Fakten durch klärende Fragen überprüft haben.
Erkennen Sie den anderen an
Zuhören und Fragen sind ein guter erster Schritt, aber oft muss man weitergehen. In der Wirtschaft und in der Politik, ebenso wie zu Hause, nehmen die Menschen letztlich alles persönlich. Wenn Sie den anderen Menschen nicht zuerst anerkennen – egal wie Sie das Verhalten des Betreffenden bewerten –, können Sie nicht von ihm erwarten, dass er Ihr Nein hört, versteht und akzeptiert. Wenn Sie erreichen wollen, dass Ihr Gegenüber Ihr Nein annimmt, statt mit Vergeltung zu reagieren, müssen Sie alles daransetzen, damit es nicht als persönliche Zurückweisung verstanden
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