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Nein sagen und trotzdem erfolgreich verhandeln: Vom Autor des Harvard-Konzepts (German Edition)

Nein sagen und trotzdem erfolgreich verhandeln: Vom Autor des Harvard-Konzepts (German Edition)

Titel: Nein sagen und trotzdem erfolgreich verhandeln: Vom Autor des Harvard-Konzepts (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Ury
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und ging weiter. Aber ich hatte ihm in einer Sprache, die wir beide verstanden, deutlich zu verstehen gegeben: ›Ich brauche keinen Feind.‹«
    Statt anzugreifen oder sich anzupassen, überraschte Chapman den anderen Mann, indem er ihn als gleichberechtigten Mitmenschen anerkannte. »Wie geht’s?« Tatsächlich spielte Chapman das »Feind-Spielchen« nicht mit, sondern wechselte zum »Respekt-Spiel«. Respekt ist die moralische Hochebene zwischen Zurückweichen und Offensive. Chapman sagte Nein zu der angriffslustigen Herausforderung, indem er Ja zu dem dahinterstehenden Menschen sagte. Und genau darin liegt die transformative Kraft der Anerkennung.
    Eine der dramatischsten und überraschendsten Akte der Anerkennung auf dem Gebiet der internationalen Politik war im Jahr 1977 die Reise des ägyptischen Präsidenten Sadat nach Jerusalem. »Von diesem Besuch erhoffe ich mir«, sagte Sadat einem Zeitungsjournalisten während des historischen Fluges, »dass die psychologische Mauer [des Misstrauens], die unser Land vom Land Israel trennt, endlich niedergerissen wird.«
    In seiner Rede vor dem israelischen Parlament, der Knesset, rief Sadat Israel auf, die Besetzung arabischen Landes aufzugeben, genau wie er es in Kairo getan hatte. Aber diesmal benutzte er dramatische Worte, um die Existenz seines Feindes anzuerkennen: »Der Staat Israel ist eine vollendete Tatsache, die von den Supermächten und von der ganzen Welt akzeptiert wird. Wir heißen Sie in der Staatengemeinschaft willkommen und wünschen uns, dass Sie in Frieden und Sicherheit unter uns leben können.« Durch sein Verhalten schuf er ein Klima beidseitigen Respekts, in dem Friedensgespräche überhaupt erst stattfinden konnten. Das Ergebnis war ein Friedensvertrag und der komplette Abzug israelischer Truppen und Siedlungen aus der Sinai-Halbinsel.
    Die Macht der überraschenden Anerkennung können wir uns auch im Alltag zunutze machen. Wenn es Ihnen zu Hause, am Arbeitsplatz oder in der Welt schwerfällt, eine Verbindung zu Ihren Mitmenschen herzustellen, weil diese Ihnen kein Gehör schenken, sollten Sie sich folgende Frage stellen: »Was wäre das Äquivalent zu einem Flug nach Jerusalem?« Mit anderen Worten: Welche Handlungsweise würde die anderen so verblüffen, dass die Tür sich plötzlich öffnet und sie Ihr Nein hören?
    Beginnen Sie Ihr positives Nein mit einem positiven Akzent
    Der Zweck der Anerkennung besteht darin, ein konstruktives Klima zu schaffen, in dem man ein Gespräch mit dem anderen führen kann.
    Ein lateinamerikanischer Geschäftsmann berichtete mir einst über schwierige Verhandlungen, die er und andere Geschäftsleute kürzlich mit dem Präsidenten des Landes führen mussten. Die Geschäftsleute beabsichtigten, in diesem Meeting über ihre Besorgnis hinsichtlich der ökonomischen Probleme des Landes zu sprechen und vorzuschlagen, bestimmte wirtschaftspolitische Grundsätze zu verändern. Mit anderen Worten: Sie sagten Nein zum Status quo. Während sie sich gleich mit den Tagesordnungspunkten befassten, erkannte unser Geschäftsmann – aus der Balkon-Perspektive –, dass der Präsident umso mehr in die Defensive ging, je intensiver die Geschäftsleute ihren Sorgen Ausdruck verliehen und ihm ihre Vorschläge unterbreiteten. Er fühlte sich persönlich angegriffen und attackierte nun seinerseits jeden einzelnen Sprecher.
    Der Geschäftsmann unterbrach die Konferenz und sagte: »Es tut mir leid, Herr Präsident, aber wir hatten anscheinend einen schlechten Start. Eigentlich wollten wir Ihnen zunächst einmal danken für den bemerkenswerten Fortschritt, den Sie in Ihrer ersten Amtszeit durch Ihre wirtschaftlichen Reformen erzielt haben. Außerdem wollen wir herausfinden, wie wir als Geschäftsleute Ihnen helfen können, diese Reformen während Ihrer zweiten Amtszeit zu erweitern.« Auf diese Äußerung hin entspannte sich der Präsident sichtbar, das Meeting dauerte doppelt so lange wie ursprünglich geplant, und schließlich lud der Präsident die Geschäftsleute ein, als privatwirtschaftliche Berater in seiner Regierung zu fungieren.
    Wenn Sie Nein sagen wollen, ist es nur allzu leicht, gleich in medias res zu gehen, genau wie unsere Geschäftsleute es in ihrer Konferenz mit dem Präsidenten taten. Sie selbst gehen davon aus, dass Ihr Gegenüber Ihre Intention als konstruktiv empfindet, aber der andere betrachtet Ihr Feedback – genau wie der Staatspräsident – als persönliche Zurückweisung. Deshalb ist es häufig klug, erst

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