Nein sagen und trotzdem erfolgreich verhandeln: Vom Autor des Harvard-Konzepts (German Edition)
ansprechen, aber er ist trotzdem ein impliziter Bestandteil der Verhandlungen und unterstreicht die Grenze, die Sie setzen. Paradoxerweise kann ein Nein für den anderen auch wie ein Geschenk sein. Wenn einmal eine klare Linie gezogen wurde, kann auch Ihr Gegenüber sich entspannen, so seltsam das auch anmuten mag. In dem soeben geschilderten Fall war der Kunde zufriedener, denn er wusste, dass er bei den Verhandlungen nun die bestmöglichen Konditionen erreicht hatte.
Um Ihr Engagement zu zeigen, reicht ein sachlicher Ton, genau wie mein Freund David und die oben beschriebene Führungskraft ihn an den Tag legten. Sie greifen niemanden an, sondern verkünden einfach nur eine neue Tatsache, eine klare Grenze, die Sie als Antwort auf die Forderung oder das Verhalten des anderen setzen.
Damit Ihr Nein gehört wird, ist es nicht notwendig zu schreien. Es besteht weder die Notwendigkeit, aggressiv zu werden, noch ein Anlass, abzuwiegeln. Ein fester, neutraler Ton ist genau richtig. Paradoxerweise signalisiert ein Nein, das mit leiser Stimme geäußert wird, oft mehr Entschlossenheit als ein lautes, schrilles.
Sie können gleichzeitig höflich und entschlossen sein. Mein Freund Stephen beschrieb mir ein Telefonat seiner Frau Sandra. Wieder einmal war sie gebeten worden, ehrenamtlich bei einer Benefizveranstaltung der Gemeinde mitzuarbeiten. In derlei Situationen sind viele Menschen verständlicherweise um Worte verlegen. Sie stammeln ein oder zwei Entschuldigungen und erklären, dass sie sowieso schon überlastet sind. Wenn der Anrufer sie weiter unter Druck setzt, erscheint es ihnen oft leichter, mit einem resignierten Seufzer doch nachzugeben. Voller Bewunderung hörte Stephen, wie Sandra mit ruhiger, neutraler Stimme sagte: »Dieses Jahr mache ich bei keiner Spendenaktion mit. Aber danke, dass Sie an mich gedacht haben.« Das war alles – höflich, fest und endgültig.
Achten Sie auf einen sachlichen und neutralen Ton und lassen Sie Ihr Nein natürlich aus Ihrer Macht fließen.
Lassen Sie es aus Ihrem Respekt fließen
Durch ein negatives Nein distanzieren Sie sich von dem anderen. Mit einem positiven Nein tun Sie das Gegenteil: Sie stellen Nähe her. Sie versuchen, mit dem anderen durch Respekt in Verbindung zu bleiben.
Wenn ein erfolgreiches spanisches Bankhaus einem wichtigen Kunden mitteilen muss, dass man die vorgeschlagene Investition nicht finanzieren wird, wird die Sache nicht einfach nur dem Kreditsachbearbeiter überlassen. Das Nein ist so wichtig, dass es direkt von einem der Geschäftsführer geäußert wird. Manch einer würde das Nein durch einen Brief oder Telefonanruf kommunizieren, weil es ihm unangenehm wäre, einem solch wichtigen Kunden mit einem Nein zu antworten, und würde mit diesem Verhalten die Distanz noch vergrößern. Der Vertreter der bewussten spanischen Bank jedoch tut das genaue Gegenteil. Er versucht, Nähe herzustellen und zu intensivieren. Er lädt den Kunden zu einem ausgedehnten Essen auf das Familienlandgut ein, das etwa eine Stunde von Madrid entfernt liegt. Sie genießen ein vorzügliches Essen und gute Gespräche. Danach, wenn Bankier und Kunde am Likör nippen und eine Zigarre rauchen, verkündet der Finanzfachmann: »Wie Sie wissen, ist uns unsere geschäftliche Beziehung zu Ihnen sehr wichtig. Wir bedauern außerordentlich, dass wir Ihnen bei diesem speziellen Deal nicht stärker von Nutzen sein können. Aber wir würden uns freuen, wenn wir Sie in Zukunft bei vielen anderen Transaktionen unterstützen dürften.« Der Bankier sagt ganz sachlich Nein, ohne höfliche Schnörkel. Gleichzeitig macht er deutlich, wie viel Wert er seinem Kunden beimisst. Dadurch übermittelt er nicht nur die wichtige Botschaft, sondern er sorgt auch für den Erhalt der Beziehung. Zu einem Geschäft Nein zu sagen ist ein besonderer Anlass, dem die gleiche feierliche Sorgfalt zuteil werden sollte wie einem erfolgreichen Geschäftsabschluss.
»Es gibt einfach immer wieder Augenblicke im Leben, in denen man Nein sagen muss«, sagt Luiz Inácio Lula da Silva, dessen Leben in extremer Armut begann und der vom Gewerkschaftsführer zum Präsidenten Brasiliens avancierte. »Und dieses Nein muss mit der gleichen Aufrichtigkeit, der gleichen Ehrlichkeit und im gleichen Ton geäußert werden wie ein Ja.«
Versuchen Sie, beim Neinsagen mit Ihrem Gegenüber in Verbindung zu bleiben – genau wie der spanische Bankier –, um den Weg für ein positives Ergebnis und eine positive Beziehung zu
Weitere Kostenlose Bücher