Nein sagen und trotzdem erfolgreich verhandeln: Vom Autor des Harvard-Konzepts (German Edition)
das Management noch nicht einmal dazu überreden, sich zusammenzusetzen und miteinander zu sprechen. Also pendelten wir sechs Wochen lang zwischen beiden Seiten hin und her, hörten zu und übermittelten dem jeweilig anderen die Vorschläge der Gegenseite. Schließlich beschlossen die Parteien, sich doch noch an einen Tisch zu setzen, und es gelang ihnen sogar, eine gemeinsame Vereinbarung auszuarbeiten. Beide Seiten waren ebenso überrascht wie erfreut, als ob sie einen Friedensvertrag unterzeichnet hätten.
Es gab nur noch eine winzige Kleinigkeit: Die Vereinbarung musste von den Bergleuten ratifiziert werden. Die Abstimmung darüber fand eine Woche später statt und endete mit beinahe einstimmigem Ergebnis – gegen die Vereinbarung. Obwohl das Dokument eine entscheidende Verbesserung der Arbeitsbedingungen festgelegt hätte, wiesen die Arbeiter es zurück, weil sie den Absichten des Managements misstrauten. Wenn die Führungsebene sich auf einen solchen Vertrag eingelassen hatte, musste es einen Haken an der Sache geben. Vermutlich verbarg sich in irgendeiner Formulierung eine Fußangel. Aufgrund dieser Annahme schien es sicherer und befriedigender, mit Nein zu stimmen.
Steve und ich mussten von vorn anfangen. Diesmal konzentrierten wir uns darauf, das Vertrauen der Bergleute zu gewinnen, sodass sie die Vereinbarung unterstützten. Die darauffolgenden Monate verbrachte ich in der Mine – einen Großteil der Zeit unter der Erde – und lernte die meisten Bergarbeiter persönlich kennen. Ich hörte viel zu, vermittelte ein wenig und versuchte, beiden Seiten dabei zu helfen, die Bedingungen des Vertrags informell schon einmal zu verwirklichen, ohne dass ein entsprechendes Dokument ratifiziert worden war. Die Beziehung wurde langsam besser, und in den darauffolgenden zwölf Monaten gab es nicht einen einzigen Streik.
Für mich war das eine gute Lektion. Das Vertrauen derer zu gewinnen, die auf der anderen Seite stehen und die der Vereinbarung letztlich ebenfalls zustimmen müssen, ist keine Nebensächlichkeit, sondern ein zentraler Bestandteil des Gesamtprozesses und genauso viel Aufmerksamkeit wert wie die Einigung selbst.
Machen Sie den Akzeptanzrede-Test
Die ursprüngliche Vereinbarung zwischen Gewerkschaft und Management, bei deren Ausarbeitung Steve und ich halfen, wäre an einem wichtigen Test gescheitert: dem Akzeptanzrede-Test.
Diesen Test können Sie machen, wenn Sie den anderen nur schwer überreden können, Ihren Vorschlag anzunehmen. Tun Sie einen Augenblick lang so, als ob der gegnerische Verhandlungsführer Ja gesagt hätte und die voraussichtliche Vereinbarung nun den anderen Mitgliedern seiner Interessengemeinschaft präsentieren müsste. Stellen Sie sich vor, der andere hielte dazu eine kleine Rede, in der er den Menschen, die er vertritt, darlegt, warum diese Vereinbarung gut ist und warum sie sie unterstützen sollten. Machen Sie einen Entwurf für diese Rede. Wie lautet das entscheidende Argument, das er vorbringen könnte, damit auch die übrigen Mitglieder seiner Gruppe die Übereinkunft akzeptieren? Notieren Sie die wichtigsten Diskussionspunkte.
Jetzt stellen Sie sich vor, wie der andere die von Ihnen verfasste Rede vorträgt, und denken Sie über die harten Fragen nach, mit denen er sich möglicherweise konfrontiert sieht:
»Warum hast du aufgegeben?«
»Was hast du aufgegeben?«
» Musstest du dieses Zugeständnis machen?
»Was ist mit unseren Bedürfnissen – hast du uns vergessen?«
»Warum sind wir nicht gefragt worden?«
Stellen Sie sich vor, wie schwierig eine solche Rede angesichts des Chores kritischer Fragen wäre. Niemand hört gern, dass er aufgegeben oder jemanden verraten hat, besonders nicht von Menschen, auf deren gute Meinung man Wert legt.
Dies ist der Akzeptanzrede-Test. Wenn Sie sich nicht vorstellen können, dass der andere mit seiner Rede seine Gleichgesinnten überzeugt, dann wissen Sie, dass Sie noch daran arbeiten müssen. Wenn der andere sich nicht vorstellen kann, sich möglicher Kritik zu stellen, wird er Ihrem Vorschlag wahrscheinlich nicht zustimmen. Und selbst wenn er es tut, kann er die gemeinsame Vereinbarung angesichts des Widerstands aus den eigenen Reihen wohl kaum realisieren. In einem solchen Fall müssen Sie Ihren Vorschlag verändern, damit er überzeugender wird – natürlich ohne Ihre grundlegenden Bedürfnisse zu verraten. Stellen Sie sich vor, mit welchen Kritikpunkten der andere möglicherweise konfrontiert wird, und überlegen Sie
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