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Nekropole (German Edition)

Nekropole (German Edition)

Titel: Nekropole (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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ein solcher Gedanke eigentlich fremd war. Ayla tat etwas mit ihm und brachte ihn dazu, Dinge zu tun, die er nicht tun sollte, und Gedanken zu denken, die er nicht denken durfte …
    Doch er sagte nichts, sondern fuhr herum und stürmte durch die Tür, durch die Ali verschwunden war.
    Er hatte erwartet, in einen weiteren Raum zu kommen, fand sich jedoch stattdessen auf der ersten Stufe einer gemauerten Treppe wieder, die in halsbrecherischem Winkel in die Tiefe führte. Unter ihm – sehr weit unter ihm – pulsierte das rote Licht einer Fackel, das sich im Luftzug bewegte, als würde es dem Takt eines gewaltigen schlagenden Herzens folgen, und zugleich wurde aus dem bloßen Gefühl, beobachtet zu werden, Gewissheit.
    Jemand stand dort unten, auf halber Höhe der Treppe, so, dass sich sein Umriss nicht vor dem roten Licht abhob, und bemüht, möglichst flach zu atmen. Andrej verzog in der Dunkelheit abfällig die Lippen. Wann begriffen diese Narren endlich, dass er ihnen unendlich weiter überlegen war als sie einem nicht ausgebildeten Menschen? Hätte er sich konzentriert, dann hätte er allein am Rhythmus seines Herzschlages erkennen können, um welchen von Alis Assassinen es sich handelte. Vielleicht wurde es Zeit, sich einen von ihnen auszusuchen, um dem Rest zu demonstrieren, dass Corleanis noch Glück gehabt hatte, mit ein paar geprellten Fingern davonzukommen.
    Ohne sich davon zu überzeugen, dass Abu Dun ihm folgte, ging er weiter, erreichte dort, wo er die Krypta erwartet hatte, einen Treppenabsatz, und bückte sich unter einem gemauerten Durchgang hinweg – nicht nur aus Neugier, sondern auch dem Gefühl heraus, dass sich das, was immer er hier sah, noch als wichtig erweisen mochte.
    Er wurde jedoch enttäuscht, nicht weil es nichts zu sehen gab, sondern weil er nichts sehen
konnte
.
    Andrej hatte ein intensives Gefühl von Weite und von Alter, doch die Dunkelheit, die ihn umgab, war vollkommen, und auch die Akustik war sonderbar. Die gedämpften Laute, die er bei seinem Eintreten erzeugte, und das Geräusch seines eigenen Atems kehrten als Echos an seine Ohren zurück, doch etwas stimmte nicht damit, ohne, dass er sagen konnte, was. Nur, dass es ihm nicht gefiel.
    Wäre er nicht zu stolz gewesen, es zuzugeben, dann hätte er das Gefühl, das ihn nun überkam, wohl als Angst bezeichnet.
    »Was ist das hier?«, murmelte Abu Dun hinter ihm. Auch seine Stimme echote lang anhaltend wider, und es war, als brächte sie etwas aus der Dunkelheit mit, ein Wispern in einer Sprache, die niemals erfunden worden war.
    »Das ist doch keine Kirche!«
    Andrej hob nur stumm die Schultern. Er wollte hier nicht sprechen, und er wünschte, auch Abu Dun hätte es nicht getan. Menschen sollten hier nicht sein. Nicht einmal ihre Stimmen.
    Er blieb eine ganze Weile hinter dem Eingang stehen und versuchte, das Geheimnis dieses sonderbaren Raumes mit seinen übrigen Sinnen zu ergründen, doch es gelang ihm nicht. Es war, als würde sich die Halle ihm widersetzen.
    »Was ist das schon wieder für eine neue Teufelei?«, polterte Abu Dun. »Lass uns von hier verschwinden, Andrej. Am besten ganz aus dieser Stadt!«
    Andrej spürte, wie wieder Zorn in ihm aufwallen wollte, aber auch, dass es ihm jetzt noch schwerer fallen würde, diesen Zorn zu beherrschen, sodass er ihn lieber erst gar nicht zuließ.
    Zu seiner Erleichterung hörte er in diesem Moment aufgebrachte Stimmen, dann einen wütenden Schrei, der jäh vom Geräusch einer zuschlagenden Tür abgeschnitten wurde, und dann sehr leichte und ebenso schnelle Schritte, die die Treppe heraufkamen. Lautlos zog er sich tief in die Schatten zurück, wo er Zeuge eines bemerkenswerten Schauspiels wurde.
    Der Mann, der sich bisher so große Mühe gegeben hatte, ihm heimlich zu folgen, hatte nun alle Vorsicht fahren gelassen und stürmte an der Tür vorbei und einer zweiten, kleineren Gestalt entgegen, die die gemauerten Stufen heraufgerannt kam. Andrej konnte ihr Gesicht nicht erkennen, wusste aber dennoch, dass es Ayla war. Ganz instinktiv wollte er dem Mädchen zur Hilfe eilen, doch er beherrschte sich und blieb reglos stehen. Es wäre ohnehin zu spät gewesen.
    Und auch nicht nötig, wie sich zeigte.
    Der verkleidete Assassine lief dem Mädchen entgegen und blieb zwei oder drei Stufen über ihm stehen, mit gespreizten Beinen und ausgebreiteten Armen, um ihr den Weg zu versperren. Ayla versuchte jedoch nicht einmal, ihm auszuweichen, sondern lief nur noch schneller, senkte im letzten Moment

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