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Nekropole (German Edition)

Nekropole (German Edition)

Titel: Nekropole (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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blanke Entsetzen, das nun in Aylas Augen erschien, beinahe noch mehr. Doch statt ihr stummes Flehen zu erhören, drehte er sich ganz zu Hasan um und zog demonstrativ die Augenbrauen zusammen. Schweigend bedeutete Hasan ihm, Alis Fackel zu nehmen und das dunkle Loch auszuleuchten, das sich hinter der Treppe auftat. Andrej nahm die Fackel, blieb aber reglos stehen, bis Ali das Mädchen auf die Beine gezogen und wieder nach unten geführt hatte. Lediglich Hasan selbst und einer der Assassinen blieben zurück, und auch dieser wohl nur, um sich um seinen bewusstlosen Kameraden zu kümmern. Hasan sprach erst weiter, als er den Mann flüchtig untersucht und ihm mit einem stummen Nicken bedeutet hatte, dass ihm nichts geschehen war. Oder dass er zumindest noch lebte.
    »Danke, dass du ihn nicht getötet hast.«
    »Ich glaube, ich habe ihm wohl eher das Leben gerettet«, erwiderte Andrej, was nicht einmal nur scherzhaft gemeint war. »Ich bin nicht ganz sicher, was Ayla mit ihm gemacht hätte.«
    Hasan lächelte flüchtig. »Ihr Bruder hat sie gut ausgebildet. Wer immer sie für eine wehrlose junge Frau hält, sollte sich auf eine böse Überraschung gefasst machen.« Er wies mit dem Kopf auf den dunklen Bereich oberhalb der Treppe. »Du wolltest wissen, wo wir hier sind.«
    Das war immerhin ein Anfang. Wortlos ging Andrej die wenigen Stufen wieder hinauf und wartete, bis Hasan zu ihm aufgeschlossen hatte. Der Assassine wollte sich ihnen ebenfalls anschließen, doch Hasan scheuchte ihn mit einer beiläufigen Geste zurück und bedeutete Andrej, weiterzugehen.
    Als er gerade hier gewesen war, hatte er einen Eindruck von Weite gehabt, so, als betrete er eine gewaltige Halle, doch das Gegenteil war der Fall. Das rote Licht der Fackel tanzte über Berge von Schutt und zerbröckeltem Mauerwerk – vom Alter mürbe gewordenem Stein, der die nicht einmal besonders große Kammer füllte, von der Andrej nicht genau sagen konnte, ob sie nun gebaut oder vielmehr aus dem natürlichen Fels des Bodens herausgehauen worden war. Hier und da waren noch die Reste uralter Verzierungen und Bilder an den Wänden zu erkennen. Nun sah er auch, dass nicht alle Trümmer, die er erblickte, aus Stein waren. Manche bestanden wohl eher aus Holz, das vor undenklichen Zeiten zu versteinern begonnen hatte. Im tanzenden Streulicht der Fackel fiel sein Blick auf etwas, das ihn an einen Totenschädel erinnerte, zugleich aber auch etwas ganz und gar nicht Menschliches hatte. Vorsichtshalber sah er nicht genauer hin, sondern drehte sich wieder zu Hasan um, der ihm zwar gefolgt, aber im Eingang stehengeblieben war, so, als wagte er es nicht, ganz hereinzukommen. Andrej konnte ihn verstehen. Ihm selbst erging es nicht viel anders.
    »Und?«, fragte er, und wieder erlebte er dasselbe Phänomen wie gerade schon einmal: Seine Worte kehrten als sonderbar verfremdete Echos an sein Ohr zurück, und auch erst mit einer fast unmerklichen Verzögerung, ganz so, als wären sie tatsächlich in einer riesigen Höhle und nicht in einem Raum, der nur wenige Schritte maß und kaum hoch genug war, um aufrecht darin zu stehen.
    »Du wolltest wissen, was das hier ist«, antwortete Hasan. »Eine Kirche.«
    Andrej deutete mit der Fackel zur Decke hoch. Die Flammen fächerten an dem uralten Stein auseinander und erweckten Millionen und Abermillionen winziger weißer Funken im verkrusteten Staub darauf zum Leben, um sie gleich darauf zu verzehren. »Das dort oben, ja. Aber hier?«
    Hasan schüttelte den Kopf und machte eine Geste tiefer in den Raum hinein, der zu folgen Andrej sich hütete. Nicht nur die Akustik hier war … seltsam. Das flackernde Licht schien vor gewissen Bereichen zurückzuschrecken, so, als würden sie etwas verbergen, das besser nicht gesehen wurde – etwas sehr Großes und Altes, das sich nach äonenlangem Schlaf nun, geweckt vom Licht, allmählich zu regen begann. Da war etwas, das lauerte und ihn beobachtete, als überlegte es, ob er Beute oder Verbündeter war.
    »… der ersten Christen«, sagte Hasan, und Andrej fuhr ganz leicht zusammen. Hasan hatte schon eine Weile geredet, ohne, dass er es gemerkt hatte.
Was geschah mit ihm?
»Niemand weiß genau, wie alt diese Kirche ist. Vielleicht stammt sie sogar noch aus der Zeit unseres Herren, oder aus der, in der sich die ersten Christen heimlich und im Untergrund treffen mussten, weil sie getötet worden wären, hätten sie sich offen zu ihrem Glauben bekannt.«
    »Und später haben sie eine zweite Kirche

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