Nekropole (German Edition)
die Schultern und rammte dem verblüfften Mann den Kopf in den Leib. Einem erfahrenen Krieger wie ihm hätte das nicht viel ausmachen dürfen, aber Aylas schieres Ungestüm reichte, um ihn aus dem Gleichgewicht zu bringen. Mehr brauchte sie nicht. Der Assassine kippte nach hinten und versuchte erst gar nicht, sein Gleichgewicht zurückzuerlangen, sondern griff mit der linken Hand hinter sich, um sich auf einer der Stufen abzustützen, und schlug mit der anderen nach dem flüchtenden Mädchen.
Ayla dachte nicht einmal daran, die vermeintliche Chance zu nutzen, die sich ihr bot, sondern griff nach dem Arm des Assassinen, packte sein Gelenk mit beiden Händen und verdrehte es mit einem so geschickten Ruck, dass sich die viel größere Kraft des Angreifers gegen ihn selbst wandte und er im Rückwärtsfallen einen ungeschickten halben Salto schlug, bei dem sich sein Arm so verdrehte, dass Andrej sein Schultergelenk knacken hören konnte.
»Beeindruckend«, sagte Abu Dun. »Man könnte meinen, sie hätte so etwas viele Jahre lang geübt.«
Der Assassine wäre kein Assassine gewesen, hätte er nicht trotzdem ebenso schnell wie richtig reagiert und sich nun in die Richtung geworfen, in die Ayla seinen Arm drehte, zum einen, um sich nicht selbst die Schulter auszukugeln, aber auch, um die vermeintlich kindliche Angreiferin von sich herunterzuwerfen – was Ayla damit konterte, ihre Bewegung abermals ins Gegenteil zu verkehren, sodass sie zwar mit Schultern und Hinterkopf gegen die Wand prallte, das aber nicht einmal mit annähernd genügend Wucht, um sie auszuschalten oder auch nur langsamer zu machen. Sie verbog den Arm des Assassinen erneut in die andere Richtung, um sein Ellbogengelenk zu überdehnen, und stemmte gleichzeitig die Füße gegen seinen Hals und in die Achselhöhle, bis ein hässliches Knirschen ertönte.
Der Assassine keuchte vor Schmerz, schlug aber trotzdem mit der anderen Hand zurück, und auch wenn der Hieb durch seine unglückliche Haltung kaum noch Kraft haben konnte, traf er Ayla mit solcher Wucht in den Leib, dass ihr die Luft aus der Lunge gepresst wurde und sie auf ihn fiel.
Mit einem einzigen Satz war Andrej aus seinem Versteck und bei ihnen, riss Ayla mit der linken Hand von dem Assassinen herunter und versetzte ihm mit der anderen einen Fausthieb, der ihn auf der Stelle das Bewusstsein verlieren ließ. Sofort wollte sich Ayla losreißen und ihre Flucht fortsetzen, doch Andrej packte schnell zu und hielt sie fest, jedoch ohne ihr wehzutun. Jedenfalls so lange nicht, bis sie sich wie schwarzes Quecksilber in seinen Händen drehte und sich anschickte, ihm mit beiden Händen das Gesicht zu zerkratzen.
Andrej ertrug den brennenden Schmerz, ohne sich zu wehren, gerade so lange, wie er brauchte, um zu begreifen, dass sie nicht von selbst damit aufhören würde, handelte sich sogar noch einige tiefe blutige Schrammen ein, als er ihren Namen schrie, und machte dem unwürdigen Schauspiel schließlich ein Ende, indem er sie so heftig schüttelte, dass ihre Zähne hörbar aufeinanderschlugen.
Ayla kreischte in einer Mischung aus Schmerz und schon fast animalischer Wut und begann nun, sein Handgelenk mit Fingernägeln zu bearbeiten, die wie schartige Messerklingen waren.
Andrej ohrfeigte sie, wesentlich fester, als er beabsichtigt hatte, sodass Aylas Hinterkopf zum zweiten Mal gegen die Wand stieß und alle Kraft aus ihren Gliedern wich. Sofort meldete sich sein schlechtes Gewissen, doch so schnell das Mädchen in seinem Griff erschlafft war, so schnell klärten sich seine Augen auch wieder und füllten sich erneut mit lodernder Wut.
»Lass mich los!«, zischte sie.
»Nur, wenn du mir versprichst, vernünftig zu sein«, antwortete Andrej, erntete jedoch nur einen zornigen Blick und fuhr sanfter fort: »Habe ich dir wehgetan?«
»Ja«, antwortete Ayla. »Ich hoffe, du bist zufrieden. Lass mich los!«
»Nein«, sagte Andrej, was für beides galt. »Was ist hier los?«
Ayla funkelte ihn nur aus ihren schönen Augen an, und aus der Tiefe drang eine Folge lauter Schläge herauf, begleitet von wütenden Stimmen und gefolgt von einem dumpfen, lang anhaltenden Splittern.
»Lass mich gehen!«, flehte Ayla nun, und ihr Widerstand wurde schwächer. »Bitte! Sie werden gleich hier sein!«
»Sie?«
»Hasan. Und Ali. Bitte lass mich los, bevor sie mich wieder einfangen und zurückbringen! Ich will das nicht! Sie werden mir wieder wehtun.«
»Sie?«, fragte er noch einmal.
»Hasan und … und Ali. Du
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