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Nekropole (German Edition)

Nekropole (German Edition)

Titel: Nekropole (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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schlau«, sagte Andrej anerkennend. Waren das Schritte, die er da durch das Atmen, die Stimmen und die Herzschläge der anderen hörte, leise und verstohlen wie die eines Kindes, das sich anzuschleichen versuchte?
    »Das weiß ich«, sagte Abu Dun. »Romania. Rumänien. Also
bist
du Römer, wenn man es genau nimmt.«
    »Wenn es dir Freude bereitet«, seufzte Andrej. »Und was schließt du daraus?« Es
waren
Schritte, jetzt war er sich vollkommen sicher. Aber er konnte nicht sagen, aus welcher Richtung sie kamen, oder ob sie sich von ihnen entfernten oder sie nur umschlichen. Offenbar kündigten seine Sinne ihm nun den Dienst nicht mehr willkürlich auf, sondern immer dann, wenn er sie ganz besonders brauchte.
    »Daraus schließen?« Abu Dun machte ein verwirrtes Gesicht. »Nichts. Ich wollte nur ein wenig mit unnützem Wissen angeben.«
    »So unnütz ist dieses Wissen gar nicht, mein Freund.« Hasan kam zu ihnen und hinderte Andrej mit einer angedeuteten Geste daran, die Frage, die ihm auf der Zunge lag, zu stellen. »Wenn das hier alles vorbei ist und wir dann noch leben, dann werde ich es dir erklären. Aber jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt dazu.«
    »Weil du dir erst noch eine passende Geschichte ausdenken musst?«, fragte Abu Dun. Ali, der hinter Hasan stand, warf ihm einen vernichtenden Blick zu, aber er schwieg. Hasan winkte Kasim heran, wandte sich aber an einen der Assassinen-Krieger.
    »Wir haben keine Spuren gefunden, Herr«, kam der Mann seiner Frage zuvor.
    Hasan seufzte, eher resigniert als enttäuscht. »Ich hätte sie nicht so gut ausbilden sollen.«

Kapitel 20
    Andrej hätte es niemals laut zugegeben, aber Kasim war nicht der Einzige, der es sich einfacher vorgestellt hatte, die Spur des Mädchens aufzunehmen.
    Wie immer, wenn er sich in einer Umgebung wie dieser aufhielt, verlor er zuallererst sein Zeitempfinden. Sein Verstand und auch die Logik sagten ihm, dass erst wenige Minuten vergangen sein konnten, doch er hatte schon bald das Gefühl, seit Stunden durch eine Welt zu irren, die nur aus Dunkelheit und zu Alter erstarrter Zeit bestand, und in der sich Furcht in jedem Schatten verbarg, von denen es mehr als genug gab, denn die Handvoll Fackeln, die die Männer angezündet hatten, reichte längst nicht aus, um mehr als die bloße Illusion von Helligkeit zu erschaffen.
    Vorsichtshalber behielt er diesen Gedanken aber für sich. Schon, damit Abu Dun ihn nicht für verrückt hielt – falls er das nicht ohnehin schon tat.
    »Hat jemand eine Vorstellung davon, wohin wir gehen?«, fragte Abu Dun. »Nicht, dass es mich etwas anginge, weil ich ja nur der dumme Mohr bin. Aber ich bin leider auch sehr neugierig …«
    »Wir haben eine Verabredung mit dem Schicksal«, antwortete Ali. Andrej nahm wenigstens an, dass es Ali gewesen war. Im Licht der Fackeln waren die Männer nur gesichtslose Schatten.
    »Ja, das war überaus beeindruckend«, spöttelte Abu Dun. »Darf ich es mir aufschreiben, um es später auch einmal zu benutzen?«
    Ali zischelte eine Antwort, die Andrej nicht verstand, aber er wünschte sich trotzdem, dass die beiden damit aufhören würden. Ihm war wohl bewusst, dass sowohl Ali als auch der Nubier herumalberten, um mit der Nervosität fertigzuwerden, jeder auf seine Art, und hätten die Dinge auch nur ein bisschen anders gelegen, dann hätte er wahrscheinlich sogar fröhlich mitgemacht.
    »Nach Westen«, mischte sich einer der Schemen mit Hasans Stimme ein. »Wir gehen nach Westen. Und es ist nicht mehr weit.«
    »Aha«, sagte Abu Dun. »Habe ich irgendwo einen Wegweiser übersehen, oder führen hier unten einfach alle Wege in die gleiche Richtung?«
    »Jeder Weg führt in mindestens zwei Richtungen, Dummkopf«, belehrte ihn Ali.
    »Also, ich kenne
einen
, der nur in eine Richtung führt«, säuselte Abu Dun. »Warum kommst du nicht her, und ich zeige ihn dir?«
    Jemand seufzte, wahrscheinlich Hasan. Aber er beendete den Streit, indem er sagte: »Ich glaube, ich weiß, wohin sie will.«
    »Interessant«, sagte Abu Dun. »Und verrätst du es uns auch, oder geht es das niedere Volk nichts an … also einmal ganz davon abgesehen, dass es vielleicht ganz nützlich gewesen wäre, es vorher zu wissen.«
    Andrej konnte hören, wie Ali Luft zu einer Entgegnung holte, die gewiss noch schärfer ausgefallen wäre, doch Hasan kam ihm auch jetzt zuvor. »Ich hatte gehofft, ich würde mich irren«, sagte er und gab wie üblich keine direkte Antwort. »Und ich bete immer noch, dass es so ist. Ihr

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