Nekropole (German Edition)
versuchte er zu ergründen, wie diese gedungenen Mörder zu dem Mann standen, der für ihn bis vor Kurzem die höchste Autorität auf Erden dargestellt hatte. Vielleicht tat er es noch. »Dann sind die Gerüchte also wahr«, sagte er traurig.
»Gerüchte?«
»Böse Zungen, denen ich niemals Glauben schenken wollte«, sagte Emilio. »Manche behaupten, Ihr hättet Euch mit gewissen … Dingen beschäftigt. Verbotenen Dingen. Verbotenem Wissen.«
»Es gibt kein verbotenes Wissen«, antwortete Hasan sanft. »Nur den falschen Weg, damit umzugehen.«
»Manche sagen auch, Ihr hättet Euch mit heidnischen Kulten eingelassen«, fuhr Emilio fort. »Uraltem Zauber, von Satan selbst ersonnen und seinen Jüngern praktiziert. Ich hätte jedem die Kehle persönlich durchgeschnitten, der es gewagt hätte, eine solche Behauptung in meiner Gegenwart laut auszusprechen, doch nun, wo ich sie mit eigenen Augen sehe … das sind doch Assassinen, oder? Nicht wenige glauben, es hätte sie niemals gegeben.«
»Sie sind keine Mörder«, sagte Ali, »und ich versichere Euch, dass jeder Einzelne von ihnen ein besserer Christ ist als die meisten, die in dieser Stadt leben.«
»Genug!« Emilio bedeutete ihm mit einer harschen Geste, zu schweigen. »Legt eure Waffen nieder und folgt uns ohne Widerstand, und ich garantiere zumindest für die Leben der Männer, an denen Euch ja so viel gelegen zu sein scheint, Camerlengo. Leistet Widerstand, und ihr alle sterbt hier und auf der Stelle.«
»Ach?«, mischte sich Abu Dun ein. »Und wie genau willst du das Kunststück bewerkstelligen, kleiner Mann? Du hast nicht genug Soldaten.«
»Sprich nicht so mit ihm, Heide!«, fuhr ihn der Soldat neben Emilio an. »Das ist seine Eminenz Kardinal Altieri, und du wirst ihn gefälligst mit Euer Exzellenz anreden!« Um seine Worte noch zu unterstreichen, stocherte er warnend mit seiner Hellebarde nach Abu Duns Gesicht. Der Nubier wich dem Stoß gespielt erschrocken aus, griff mit seiner eisernen Hand nach der Spitze und hielt sie mit nur zwei Fingern fest.
»Ach ja?«, fragte er. »Werde ich das?«
Der Soldat versuchte, seine Waffe loszureißen, machte ein überraschtes Gesicht, als es ihm nicht gelang, und stieß dann noch einmal mit aller Kraft zu. Abu Dun griente breit und drehte die Hand mit einem Ruck, sodass die Hellebarde zu Boden polterte, während es ihrem Besitzer irgendwie gelang, auf den Beinen zu bleiben, wenn auch nur mit Mühe und Not.
»Lass den Unsinn, Abu Dun«, bat Hasan, ohne zu ihm hochzusehen. »Und Ihr, Emilio –«
»Exzellenz, Clemens«, unterbrach ihn Altieri. »Oder Kardinal, ganz wie es Euch beliebt. Ich muss Euch verhaften.«
»Und Ihr seid sicher, dass Ihr das könnt, Exzellenz?«, fragte Ali und wies mit der Hand auf die Männer hinter ihm. »Das da ist die Schweizergarde. Die Leibwache des Papstes. Ich habe jeden Einzelnen dieser Männer persönlich ausgesucht, und sie haben geschworen, ihre Leben für ihn zu geben, wenn es sein muss.«
»So wie ich«, bestätigte Altieri. »Aber dieser Eid wurde gebrochen, als der Mann, dem wir alle die Treue geschworen haben, sich entschied, seinen eigenen Tod vorzutäuschen, und sein Camerlengo zum Mörder ihrer Kameraden wurde.«
»Senkt die Waffen«, sagte Ali scharf. »Ich befehle es!«
Niemand gehorchte, aber ein leichtes Beben durchlief die Reihen der Männer. Und Andrej sah die Verwirrung und Qual auf den Gesichtern der Soldaten. Manche senkten ihre Waffen tatsächlich um eine Winzigkeit, andere wirkten nur umso entschlossener.
»Habt ihr nicht verstanden?«, blaffte Ali. »Die Waffen herunter! Ergreift den Kardinal!«
»So muss es nicht enden, Clemens«, sagte Altieri leise. »Ihr wisst, wozu diese Männer imstande sind, und ich habe genug über die Assassinen gehört, um zu wissen, wie gefährlich sie sind. Wollt Ihr das? Viele gute Männer werden ihre Leben verlieren, wenn Ihr es ihnen befehlt. Wollt Ihr das wirklich?«
»Ihr habt keine Ahnung, was auf dem Spiel steht!«, sagte Ali scharf.
»Dann erklärt es mir«, antwortete Altieri, weiter an Hasan gewandt. »Aber nicht hier. Wenn Euch jemand erkennt, wären die Folgen unabsehbar. Ganz Rom geriete ins Wanken.«
»Ganz Rom wird untergehen, wenn Ihr uns nicht gehen lasst, Ihr Narr!«, sagte Ali. »Und vielleicht noch mehr.«
Altieri ignorierte ihn. »Wenn noch etwas von dem Mann in Euch ist, der Ihr einmal wart, Clemens, dann zwingt mich nicht, dieses sinnlose Blutvergießen fortzusetzen.«
»Ich wollte, ich könnte
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