Nekropole (German Edition)
taumelnden Leibern, grabschenden Händen und schnappenden Kiefern verschwunden.
Etwas krachte. Der Knall war so laut, dass Andrej meinte, es würde ihm das Trommelfell zerreißen. Er spürte einen heißen Luftzug an der Wange und roch beißenden Pulverdampf. Zugleich explodierte der Schädel des ersten toten Mannes, der den Krieger zu Boden drückte, wie vom Hieb eines unsichtbaren Streitkolbens getroffen. Weitere Schüsse fielen, zwei, drei, vier hintereinander und in so rascher Folge, dass sie zu einem einzigen lang anhaltenden peitschenden Krachen verschmolzen, und zwei weitere tote Männer wurden von ihrem Opfer heruntergeschleudert, die sich aber sofort mit unbeholfenen Bewegungen wieder aufrappelten.
Endlich überwand Andrej seinen Schreck und wollte eingreifen, doch etwas traf ihn hart genug an der Schulter, um ihn aus dem Gleichgewicht zu bringen. Das Schwert entglitt ihm, und er drehte sich blitzschnell so, dass er Ayla mit dem Körper schützte.
Immer noch krachten Musketenschüsse. Abu Dun schrie. Metall bohrte sich dumpf in mürbes Fleisch, noch mehr Schüsse donnerten, und die Luft war mit einem Male so voll beißendem Pulverdampf, dass er kaum noch atmen konnte. Andrej beugte sich tiefer über Ayla und drückte ihr Gesicht an seine Brust.
Es dauerte nicht lange, doch so lange es währte, war es eine regelrechte Schlacht. Abu Dun und die überlebenden Assassinen wüteten wie die Berserker unter den Toten, zertrümmerten Schädel und hackten Gliedmaßen ab, als dröschen sie auf Strohpuppen ein. Trotzdem wären sie von der schieren Menge der seelenlosen Angreifer einfach überrannt worden, hätten sie nicht plötzlich Unterstützung bekommen. Mit einem Male waren Männer da, viele Männer in blau und gelb gestreiften Uniformen und altertümlichen Bronzehelmen, die mit Säbeln und Musketen auf die torkelnden Leichname eindrangen und sich mit ihren langen Hellebarden die grässlichen Kreaturen vom Leib hielten.
Andrej würde nie erfahren, ob die Soldaten wussten, wem sie gegenüberstanden oder es das schiere Entsetzen war, das sie dazu brachte, vor allem diese altertümlichen Waffen einzusetzen, aber sie waren es, die am Ende die Entscheidung brachten. Mit den langen Spitzen und den tödlich geschliffenen Schneiden hielten die Männer die heranwogende Masse sicher auf Abstand, während ihre Kameraden, unterstützt von den überlebenden Assassinen und zwei tobenden schwarzen Derwischen, die Kreaturen eine nach der anderen vernichteten. Selbst Hasan hatte mit einem Mal einen Säbel, den er zwar nicht einsetzen musste, aber in der Hand hielt, als wüsste er damit umzugehen. Einzig Andrej beteiligte sich nicht an dem kurzen Gemetzel. Mit einer Hand drückte er Ayla nieder und zugleich an sich, mit der anderen hielt er das Schwert, um es jeden spüren zu lassen, der dem Mädchen zu nahe kam, gleich, ob lebendig oder tot.
Dann war es vorbei, so plötzlich, wie es begonnen hatte.
Der letzte Untote fiel, von einer Hellebarde durchbohrt, der ein Assassine einen blitzartigen Schwertstreich folgen ließ. Vom anderen Ende der Arena her näherte sich noch eine Handvoll Nachzügler, die so schnell heranwankten und -humpelten, als könnten sie es gar nicht erwarten, endlich erlöst zu werden. Einige Männer in Blau und Gelb eilten ihnen entgegen, um ihnen diesen letzten Wunsch zu erfüllen. Nur ein Stück neben Andrej lud einer der Uniformierten mit hektischen Bewegungen seine Muskete nach und riss die Waffe so schnell an die Schulter, als würde er gar nicht zielen. Trotzdem explodierte der Kopf einer der torkelnden Gestalten in einer Wolke aus Knochensplittern und faulendem Fleisch, nachdem er abgedrückt hatte. Der Mann musste ein wahrer Meisterschütze sein.
Andrejs Ohren klingelten, als hätte jemand den größten Gong der Welt unmittelbar neben ihm angeschlagen. Beiläufig registrierte er, dass sein Fuß wieder zu bluten begonnen hatte.
»Ist es vorbei?«, wimmerte Ayla. »Sag mir, dass sie weg sind, Andrej. Sag mir, dass es vorbei ist!«
Andrej nickte zur Antwort, um sie zu beruhigen, obwohl er nicht wirklich überzeugt war. Die graugesichtigen Angreifer waren geschlagen. Wie durch ein Wunder schien es auf ihrer Seite keine Verluste gegeben zu haben, doch die Männer in den gestreiften Uniformen senkten ihre Waffen nicht, sondern wichen einige Schritte zurück und richteten ihre Musketen und Hellebarden nun auf Ali und die Männer in Schwarz. Gewalt lag noch immer in der Luft und suchte nur ein neues
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