Nekropole (German Edition)
dürfen (was einigermaßen lächerlich war, denn sie waren wohl am allerwenigsten auf eine Waffe angewiesen), doch Andrej waren die überraschten Blicke und die kaum verhohlene Feindseligkeit nicht entgangen, die ihnen entgegengeschlagen waren, als man sie hergebracht hatte. Zumindest die Männer, die in der vergangenen Nacht zusammen mit Altieri in der Engelsburg gewesen waren, hatten ihn wohl wiedererkannt.
»Lass es gut sein«, sagte er auf Arabisch, halblaut und sehr ernst. »Mir ist nicht nach Späßen.«
»Wer sagt, dass ich Spaß mache?«, erwiderte Abu Dun, sich ungerührt weiter des Italienischen bedienend. »Es gäbe sicher ein prachtvolles Feuer.« Und es war auch ganz gewiss kein Zufall, dass er nun zum Kamin ging, sich mit der gesunden linken Hand am Sims festhielt und in die Hocke sank. Angesichts der Jahreszeit konnte schon seit Wochen kein Feuer mehr darin gebrannt haben. Trotzdem rührte er einen Moment mit der eisernen Hand in der kalten Asche und machte ein enttäuschtes Gesicht. »Keine Glut mehr«, stellte er fest. »Das ist schade, denn es hätte es einfacher gemacht.« Er stand auf. »Aber ich werde schon etwas finden, aus dem sich Funken schlagen lassen. Ein paar Köpfe vielleicht?«
Die Tür flog auf, und ein Mann in Blau und Gelb kam herein, der nach wenigen Schritten wieder stehenblieb, die Hand noch auf der Klinke und den Blick starr und voller kaum verhohlenem Zorn auf Abu Dun gerichtet. Offenbar hatte er Abu Duns Worte gehört.
»Seine Exzellenz möchte euch sehen«, sagte der Soldat. »Sofort.«
»Na, das nenne ich mal eine freundliche Einladung«, sagte Abu Dun. Er klapperte mit der künstlichen Hand. »Welchem Umstand haben wir denn diese unerwartete Ehre zu verdanken?«
»Bringt Euren Sklaven zum Schweigen!«, wandte sich der Mann an Andrej. »Wir dulden solche respektlosen Reden nicht!«
»Das würde ich gerne«, antwortete Andrej, »wenn ich einen Sklaven hätte. Abu Dun ist mein Freund. Aber ich entschuldige mich für ihn. Er ist manchmal ein wenig … taktlos.«
»Dann bringt Euren Freund zum Schweigen«, antwortete der Mann scharf. Sein Zorn hatte ein neues Opfer gefunden, und da es kleiner war, unterlief ihm der nachvollziehbare Irrtum, es auch für harmloser zu halten. »Niemand hier duldet solche Reden. Von niemandem und über niemanden.«
»Das ist ein komplizierter Satz«, sagte Abu Dun, während er sich mit seiner eisernen Hand am Schädel kratzte. »Darf ich darüber nachdenken?«
»Das kannst du auf dem Weg zu seiner Exzellenz tun, Sarazene«, sagte der Soldat. Sein Gesicht kam Andrej nun doch vage bekannt vor, auch wenn er sich nicht erinnerte, wo er es schon einmal gesehen hatte. »Aber wenn du mir eine Freude machen willst, dann gib mir doch einen Grund, dich auf den Knien und in Ketten zu ihm zu schleifen.«
»Vor deinen Herrn, meinst du?« Abu Dun machte ein nachdenkliches Gesicht. »Und vor welchem genau? Also, nur, um sicherzugehen. Nicht, dass ich am Ende noch vor dem Falschen auf die Knie falle.«
Andrej beeilte sich, an dem Gardisten vorbei auf den Flur hinauszutreten, und war nicht überrascht, dort gleich vier weitere Bewaffnete zu finden, die auf sie warteten. Außerdem spürte er die Anwesenheit zahlreicher anderer, die misstrauisch über jede ihrer Bewegungen wachten. »Kardinal Altieri schickt Euch, Hauptmann …?«
»Ruetli«, antwortete der Gardist. »Und ja. Er und …« Er rang sichtlich um Worte und presste dann die Lippen zu einem schmalen Strich zusammen. Mit ganz erstaunlicher Kraft hielt sein Blick, wenngleich flackernd, dem Andrejs stand, der nicht anders konnte, als ihm im Stillen Respekt zu zollen. Was man über die Männer dieser speziellen Schutztruppe sagte, schien zu stimmen.
»Schon gut«, sagte er. »Dann sollten wir ihn nicht noch länger warten lassen. Und mein Freund wird mit den kindischen Scherzen aufhören, das verspreche ich.«
»Wann habe ich jemals Scherze gemacht?«, versetzte Abu Dun zwar prompt, schloss sich ihnen aber gehorsam an und bedachte den Hauptmann sogar mit einem Grinsen, das er wahrscheinlich für gutmütig hielt – wenn auch wohl als Einziger. Immerhin behielt er jeden weiteren dummen Kommentar für sich, als sie losgingen.
Doch Andrej argwöhnte, dass er ihn sich nur aufsparte. Für die allerunpassendste nächste Gelegenheit.
Der Weg durch die hohen, menschenleeren Gänge war unerwartet weit. Auch wenn Andrej verblüfft gewesen war, als man sie statt in eine Kerkerzelle in ein Zimmer geführt
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