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Nekropole (German Edition)

Nekropole (German Edition)

Titel: Nekropole (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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es, mein Freund«, seufzte Hasan. »Aber es ist so, wie mein Camerlengo sagt: Ihr wisst nicht, was auf dem Spiel steht.«
    Altieri deutete auf die furchtbar zugerichteten Leichname, die den Sand der Arena in weitem Umkreis bedeckten. »Meint Ihr dieses Teufelswerk? Ich fürchte, ich weiß es sehr wohl. Und seid unbesorgt. Wir wissen mit dieser Bedrohung umzugehen.«
    Der Mann neben ihm, den Abu Dun gerade so beiläufig entwaffnet hatte, bückte sich nach seiner Hellebarde, und erst in diesem Moment sah Andrej das Blut, das an seinem Arm hinablief und die tiefe Bisswunde in seinem Handgelenk, aus der es stammte. Erst dann
spürte
er es.
    »Nein, Exzellenz«, sagte er. »Das wisst Ihr nicht.«
    Hasan sah verwirrt zu ihm hoch, folgte seinem Blick, und seine Augen wurden groß. Auch Altieri drehte mit einem Ruck den Kopf, um den Gardisten neben sich anzusehen.
    Andrej war sicher, dass er den Anblick für den Rest seines Lebens nicht mehr vergessen würde. Es war das erste Mal, dass er in aller Deutlichkeit sah, wie es passierte, unheimlich schnell und vollkommen lautlos. Der Mann führte die Bewegung, mit der er nach der Waffe hatte greifen wollen, nicht zu Ende, sondern erstarrte, um verwirrt auf sein verletztes Handgelenk zu sehen. Andrej, der spürte, wie es geschah und sich das Leben in ihm wandelte, hätte erwartet, dass die Wunde zu bluten aufhörte, doch stattdessen nahm der zähe Strom eher noch zu, färbte sich nun aber schwarz, und anstelle des lockenden süßen Blutgeruchs schlug ihm nun ein ekelhafter Gestank nach Verwesung und Tod entgegen. Altieri stieß einen krächzenden Schrei aus und prallte entsetzt zurück, während sich der sterbende Mann weiter aufrichtete und sich mit einer Bewegung zu ihm herumdrehte, die bereits etwas Hölzernes hatte. Sein Gesicht färbte sich grau und alterte binnen Augenblicken um Jahrzehnte. Seine Augen gerannen zu grauweißen Kugeln, die an gekochte faulende Eier erinnerten und nur noch nadelgroße schwarze Pupillen hatten, und sein Unterkiefer klappte herunter und entblößte eine doppelte Reihe gelber Zähne, die so schnell verfaulten, dass man buchstäblich dabei zusehen konnte.
    Abu Dun schwang seine gewaltige Klinge und enthauptete den Mann mit solcher Gewalt, dass der abgeschlagene Kopf meterweit davonflog und um ein Haar einen der anderen Gardisten getroffen hätte. Der Mann brachte sich mit einem erschrockenen Hüpfer in Sicherheit, krümmte sich zusammen und übergab sich ausgiebig auf die Stiefel seines Nebenmannes.
    »Im Namen der Heiligen Jungfrau!« Altieri sah aus, als wollte er es dem bedauernswerten Mann nachmachen, fuhr sich dann aber nur mit dem Handrücken über den Mund und bekreuzigte sich hastig mit der anderen Hand gleich mehrfach. »Was … was geschieht … hier? Was
bedeutet
das?«
    »Das Ende der Welt, wie wir sie kennen, Emilio«, antwortete Hasan leise, »wenn Ihr darauf besteht, uns festzusetzen.«

Kapitel 22
    Von allen Gefängnissen, in denen er jemals gewesen war, war dieses sicherlich eines der luxuriösesten. Der Raum – fast ein
Saal
– war größer als die meisten Wohnungen, in denen die Menschen in dieser Stadt samt ihren Familien ihr Dasein fristeten. Die kostbaren Seidentapeten an den Wänden bildeten nur den angemessenen Hintergrund für noch ungleich kostbarere Gemälde, die verstorbene Würdenträger und Heilige zeigten, eingefasst in verzierte Rahmen, von denen so mancher dem Gegenwert eines kleinen Bauernhofs entsprechen mochte. Nicht wenige der wertvollen Möbelstücke mussten älter sein als Abu Dun und er. Die Fenster waren mannshoch und mit wertvollem, nahezu blasenfreiem Glas gefüllt, um Sonnenlicht und Luft hereinzulassen, und es gab nicht einmal Gitter.
    Was alles nichts daran änderte, dass es ein Gefängnis war.
    Die Tür besaß kein Schloss, das man hätte verriegeln können, doch Andrej konnte die nervösen Herzschläge der Wachen hören, die Altieri draußen auf dem Gang postiert hatte, und auch die verstohlenen Atemzüge der anderen Männer, die sie durch geschickt angebrachte Gucklöcher und Sehschlitze in den Wänden beobachteten und sich vermutlich auch noch einbildeten, dass sie es nicht merkten.
    »Abgesehen von unserer Unterkunft und dem Essen – das man uns zwar noch nicht angeboten hat, das aber ganz zweifellos vorzüglich ist, wenn es auch nur annähernd zu diesem Etablissement passt –, was hat sich eigentlich geändert, oh weiser Sahib?«, unterbrach Abu Duns Stimme seine Gedanken, unmittelbar gefolgt

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