Nekropole (German Edition)
also wahr«, sagte der Schmuggler. »Stefano ist nicht einfach nur ertrunken. Etwas … Schreckliches ist ihm zugestoßen?«
»Und es wird noch anderen zustoßen, wenn die
Pestmond
nicht zerstört wird. Ich weiß, welches Opfer ich von dir und deinen Männern verlange, und ich täte es nicht, wenn ich eine andere Wahl hätte. Ein großes Unglück wird über diese ganze Stadt kommen, wenn das Schiff hierbleibt.«
»Andrej und ich können das übernehmen«, schlug Abu Dun vor, nicht nur zu Andrejs Überraschung. »Wir segeln die
Pestmond
hinaus aufs offene Meer und stecken sie in Brand. Don Fettbacke kann uns mit einem zweiten Boot folgen und zurückbringen.«
Hasan schüttelte so schnell den Kopf, als hätte er erwartet, dass er diesen Vorschlag machte. »Dazu reicht unsere Zeit nicht. Ihr müsstet warten, bis es wieder dunkel ist, und ich brauche euch hier.« Das Bedauern, mit dem er Corleanis nun ansah, wirkte echt. »Ich muss dich um dieses Opfer bitten, mein Sohn. Und ich kann dir nichts als meinen Dank dafür anbieten.«
Darauf sagte Corleanis nichts, aber in seinem Gesicht arbeitete es, und Andrej konnte seine Gedanken deutlich in seinen Augen lesen. Hasan – Papst Clemens der Neunte, tot oder nicht – verlangte von ihm nichts anderes, als sein Seelenheil aufs Spiel zu setzen, von seinem Leben ganz zu schweigen. Und er sagte ihm nicht einmal, warum.
Schließlich nickte er abgehackt.
»Kann ich mich darauf verlassen?« War es wirklich Zufall, dass Hasan Don Corleanis in diesem Moment die Hand ganz auf die Art entgegenstreckte, wie er es in seiner Zeit als Papst getan haben musste, wenn er eine Audienz gab?
Don Corleanis jedenfalls fiel unverzüglich auf ein Knie und küsste den nicht mehr vorhandenen Fischerring. Diesmal ließ Hasan es geschehen.
»Ganz wie Ihr befehlt, Eure Heiligkeit«, sagte er.
Erst nach einer Weile zog Hasan die Hand zurück, wenn auch nur gerade weit genug, um ihn zu segnen. Don Corleanis blieb noch einen Moment lang reglos knien, dann stand er auf, verbeugte sich noch einmal tief in Hasans Richtung und entfernte sich mit hastigen Schritten.
Andrej sah ihm kopfschüttelnd nach. »Du hast dem armen Burschen keine Wahl gelassen.«
»Ich habe
uns
keine Wahl gelassen und dieser ganzen Stadt«, antwortete Hasan. Er seufzte. »Ihm wird nichts geschehen. Er wird eine Stunde oder zwei große Angst haben und sich für den Rest seines Lebens als Held fühlen. Er ist ein sehr tapferer Mann. Er weiß es nur nicht.«
»Das Gefühl kenne ich«, sagte Abu Dun. »Das letzte Mal hatte ich es … wann genau noch mal? Ah ja, vor einer Viertelstunde, unten im Schiff.«
»Dir wie ein Feigling vorzukommen?«, fragte Kasim.
»Nicht zu wissen, was eigentlich los ist«, antwortete Abu Dun ungerührt. Er starrte Hasan an. Aber natürlich bekam er keine Antwort.
Es vergingen nur noch wenige Minuten – auch wenn es Andrej sehr viel länger vorkam – bis sie erneut das Geräusch eines Wagens hörten und einer der drei Männer, die sie vorher am Kai gesehen hatten, aus den Schatten trat und Hasan zunickte. Hasan erwiderte den Gruß, wies Kasim aber an, nun doch mit der letzten Gruppe zu fahren, was vielleicht nicht die schlechteste Idee war. Nach dem, was er mit Abu Duns Hand angestellt hatte, wäre Andrej nicht wirklich wohl bei dem Gedanken gewesen, die beiden gemeinsam in einem Wagen zu wissen.
Ihrem Führer folgend, durchquerten sie den großen Schuppen, der so gut wie leer war, aber so nach faulendem Fisch stank, dass es Andrej schier den Atem verschlug.
Auf den letzten Metern eilte er ungefragt voraus, legte die Hand auf den Schwertgriff, bevor er durch die Tür trat, und lauschte mit allen anderen Sinnen, sodass er nicht überrascht war, in der schmalen Straße, auf die er hinaustrat, einen von gleich vier Pferden gezogenen Wagen zu entdecken, der nur einen halben Steinwurf entfernt und mit offen stehender Tür auf sie wartete.
Er war nicht wirklich größer als eine normale vierspännige Kutsche, aber von so wuchtiger Bauart, dass er fast doppelt so groß wirkte. Er hatte kleine, wuchtige Räder und nur winzige und zusätzlich vergitterte Fenster, sodass er an eine rollende Festung erinnerte – oder ein Gefängnis auf Rädern. Ali war es offensichtlich weniger darum gegangen, nicht aufzufallen, sondern eher um die Sicherheit der Fahrgäste.
Ihr Begleiter drängelte sich an ihm vorbei und eilte voraus, um die Tür weiter aufzuziehen. Andrejs Vermutung wurde zur Gewissheit. Die Tür war so
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