Nekropole (German Edition)
Geldes wegen getan.«
»Was war es dann?«, erkundigte sich Abu Dun leutselig. »Gold? Edelsteine? Oder ein Kaperbrief und ein kleines Grundstück am Meer? Ich wüsste da eine nette kleine Insel, auf der es im Moment außer Schmugglern und anderem Abschaum –«
»Abu Dun, das reicht«, sagte Andrej in einem Ton, der den Nubier nicht nur augenblicklich verstummen ließ, sondern Corleanis’ Furcht auch auf eine neue Ebene hob. »Don Corleanis ist ein Ehrenmann. Ich bin sicher, dass er gute Gründe für sein Handeln gehabt hat.« Er bemühte sich um das kälteste Lächeln, das er zustande brachte – und dem Ausdruck auf Don Corleanis’ Gesicht nach zu schließen durchaus mit Erfolg. »So war es doch, oder?«
»Es ist nicht notwendig, den armen Don noch weiter zu quälen, Andrej«, sagte Clemens. Er stand auf, und nun war Andrej sicher, dass er den Stock brauchte, auf den er sich dabei stützte. »Ich muss mich bei dir entschuldigen, Don Corleanis. Ich hätte dich niemals in den Gewissenskonflikt einer Entscheidung zwischen mir und dem neuen Papst stürzen dürfen. Das war unverzeihlich.«
»Unverzeihlich?« Abu Dun japste laut nach Luft. »Dieser geldgierige Halunke liefert uns ans Messer, und du
entschuldigst
dich bei ihm?«
»Ich bin auch kein Freund der Schmuggler«, sagte Altieri, »und schon gar nicht des Verrats, aber das steht hier nicht zur Debatte. Wir haben im Moment Dringenderes zu besprechen. Bitte schließt die Tür, Hauptmann. Und macht Licht.«
Abu Dun sah ganz und gar nicht so aus, als gäbe er sich mit dieser Antwort zufrieden, aber er beließ es bei einem abfälligen Grunzen. Ruetli eilte mit schnellen Schritten zu der Fenstertür und zog die schweren Vorhänge wieder zu. Erst danach ließ er zwei Feuersteine aneinanderklicken und ging von Tisch zu Tisch, um Kerzen und eine kleine Öllampe anzuzünden. Die schon fast traumwandlerische Sicherheit, mit der er es tat, verriet Andrej, dass er nicht zum ersten Mal in diesen Räumen war.
»Beantwortet Ihr mir eine Frage, Emilio?«, fragte Clemens, nachdem Ruetli wieder an seine Seite getreten war, ohne ihn anzusehen.
»Warum ich befohlen habe, Euch ausgerechnet hier warten zu lassen?« Altieri nickte. »Hinter dem Balkon, unter dem Hunderte oder auch Tausende darauf warten, ihren neuen Papst zu begrüßen?«
»Was, wenn ich es getan hätte?«
Altieri hob nur die Hand, und rechts und links der Balkontür öffneten sich zwei verborgene Nischen, aus denen die Männer traten, deren Herzschlag Andrej gehört hatte. Beide hielten gespannte Armbrüste in den Händen und wirkten gleichermaßen nervös wie grimmig entschlossen.
»Dann hätten sie mich getötet, ich verstehe.« Clemens nickte, wieder auf seine eigene sonderbare Art traurig, aber nicht im Geringsten überrascht. »Ihr wolltet sehen, wie weit ich gehe. Glaubt Ihr denn wirklich, ich wäre grausam genug, um all diese Menschen meinen Tod beweinen zu lassen und ihre Seelen dann in Verwirrung zu stürzen, indem ich von den Toten zurückkehre?«
»Warum nicht?«, fragte Abu Dun, sich demonstrativ in der Runde umsehend. »Das hat schon einmal geklappt. Und wie es aussieht, hat es sich gelohnt.«
In Alis Augen blitzte es hasserfüllt auf, doch weder Altieri noch Clemens schienen geneigt, sich von Abu Dun provozieren zu lassen. »Ich weiß nicht mehr, was ich noch glauben soll«, antwortete der Kardinal müde. »Noch vor einem Tag hätte ich nichts von alledem für möglich gehalten. Noch vor wenigen Stunden hätte ich Euch für schlichtweg wahnsinnig gehalten, hättet Ihr mir auch nur den zehnten Teil dieser Geschichte erzählt. Aber jetzt …« Er suchte einen Moment lang nach Worten und hob dann schnell den Kopf, um sich in herrischem Ton direkt an Clemens zu wenden. »Erklärt es mir, bevor ich Euch auf der Stelle hinrichten und in einem Armengrab verscharren lasse!«
Er war kein wirklich guter Schauspieler, fand Andrej. Jede einzelne seiner Bewegungen war genau überlegt, jedes Wort, jede Betonung sorgfältig bedacht. Clemens zeigte sich denn auch nicht sonderlich beeindruckt, sondern schüttelte nur müde den Kopf. »Ich wünschte, es wäre so einfach, Emilio«, seufzte er. »Ich selbst würde das Henkersbeil führen, ließe sich dieses Grauen damit beenden. Aber so einfach ist es nicht. Wäre es so, hätte ich es niemals so weit kommen lassen.«
»Wie weit?«, hakte Altieri nach.
»Ich kann Euch nicht mehr sagen, als Ihr bereits wisst«, antwortete Clemens. »Und auch das ist schon
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