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Nekropole (German Edition)

Nekropole (German Edition)

Titel: Nekropole (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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zu gehorchen, so, als würde die Flut von einem Willen gelenkt, der sie in zwei unterschiedlich große und verschieden schnelle Ströme teilte, wobei die größere Masse über die Soldaten herfiel oder sich geifernd und wie ein tollwütiges Tier nach Beute schnappend in der weiten Halle verteilte, während sich ein kleinerer – aber immer noch entsetzlich
großer
– Teil gleich einer Schlange vortastete und nach Altieri und Clemens griff.
    Und nach Ayla.
    Andrejs gellender Schrei kam zu spät. Abu Dun und Ali stürzten im gleichen Moment los, doch so schnell sie auch waren, ihre Bewegungen wirkten fast grotesk langsam gegen das machtvolle Fließen des gewaltigen, hundertgliedrigen Tentakels. Clemens, Ayla und der schreiende Kardinal verschwanden unter der brodelnden Menge, und Andrejs Entsetzen gaukelte ihm vor, den gellenden Todesschrei aus der Kehle eines verängstigten Mädchens zu hören.
    Wie von allein setzte sich sein Körper in Bewegung, sprang mit ausgebreiteten Armen in den Strom hinein und schlug und trat, zermalmte Schädel und zertrümmerte Oberschenkelknochen und Rippen, zerfetzte verwestes Fleisch und riss mürbe gewordene Gliedmaßen von verwesenden Leibern, die noch vor weniger als einer Stunde Gefäß für schlagende Herzen und lebendige Seelen gewesen waren.
    Es war zu wenig. Andrej kämpfte wie niemals zuvor in seinem Leben, weiter getrieben von dem entsetzlichen Wissen, dass Ayla in schrecklicher Gefahr war, dass sie
sterben
würde, wenn er sie nicht erreichte und aus diesem entsetzlichen Mahlstrom befreite, doch alle seine Anstrengungen waren vergebens. Gleich wie viele Köpfe er einschlug, wie viele Genicke er brach, die lebendige Springflut riss ihn einfach von den Füßen und mit sich, und plötzlich war er es, der zu Boden geschleudert und getroffen wurde. Schartige Fingernägel tasteten über seinen Körper und sein Gesicht, suchten nach seinen Augen und seinem Mund und zerrten an seinen Haaren und seiner Kleidung. Jetzt war es sein eigenes Blut, das über sein Gesicht lief und seine Augen blendete, und
selbstverständlich
war das der Moment, in dem sich sein verletzter Fuß mit einer grellen Lohe aus neu erwachendem Schmerz wieder in Erinnerung brachte.
    Allein das gab ihm die Kraft, ein halbes Dutzend der Dämonen von sich herunterzustoßen und noch einmal auf Hände und Knie hochzukommen. Sofort warfen sich weitere Untote auf ihn. Ein Arm schlang sich von hinten um seinen Hals und versuchte, seinen Kopf zurückzureißen. Fauliger Atem strich über sein Gesicht und ließ ihn würgen. Andrej stieß den Ellbogen zurück, spürte, wie etwas unter seinem Hieb zerbrach und schrie vor Schmerz, als Zähne nach seiner Wange schnappten und ihm ein handtellergroßes Stück Haut abrissen. Trotzdem sprang er wieder auf, schlug und trat um sich und verschaffte sich für einen kurzen Augenblick Luft.
    Lange genug, um zu begreifen, dass er trotz allem zu spät kommen würde.
    Irgendwie war es Abu Dun und Ali gelungen, sich zu Clemens und Ayla durchzukämpfen. Sie hatten sie zwischen sich genommen, um sie zu verteidigen, Ali mit gewaltigen, beidhändigen Hieben seines Schwertes und Abu Dun mit bloßen Fäusten, mit denen er mindestens ebenso reiche Ernte unter den grässlichen Angreifern hielt wie der Camerlengo mit seinem Schwert. Aber sie würden überrannt werden. Für jeden toten Angreifer, den sie niederstreckten, kamen drei neue Kreaturen und drängten sie weiter zurück.
    »Andrej! Fang!«
    Andrej bemerkte ein goldenes Blitzen aus den Augenwinkeln, griff instinktiv zu und hatte das Glück, nicht sämtliche Finger einzubüßen, sondern den geworfenen
Saif
am Griff aufzufangen, noch bevor er die krächzende Stimme erkannte. Den Schwung der Bewegung ausnutzend, wirbelte er herum und enthauptete gleich drei Tote mit einem einzigen gewaltigen Hieb.
    Erst am Ende der Drehung angekommen sah er Ruetli, der in erstaunlich kurzer Zeit zurückgekehrt war und ihm nicht nur seine Waffe gebracht hatte, sondern sich auch mit Abu Duns monströsem Säbel abschleppte. Hinter ihm stürmte ein halbes Dutzend Gestalten in wehendem Schwarz und mit schrecklichen Dornenhänden heran, und mit einer Mischung aus Staunen und Ärger stellte Andrej fest, dass er sich nicht getäuscht hatte: Die misstönende Stimme, die seinen Namen gerufen hatte, gehörte tatsächlich Don Corleanis. Wieso hatte Ruetli diesen Verräter mitgebracht?
    Und im gleichen Moment, in dem er sich diese Frage stellte, wusste er auch die

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