Nekropole (German Edition)
kläglich und schienen die Qual ganz im Gegenteil noch zu verschlimmern. Statt sich weiter und vollkommen sinnlos selbst zu kasteien, öffnete er vorsichtig blinzelnd die Augen und konnte gerade noch ein Stöhnen unterdrücken. Das blasse, flackernde Licht einer einzelnen Fackel stach wie ein rot glühender Dolch in seine Augen und direkt in sein Gehirn. Sofort begann sich alles um ihn zu drehen.
»Bleib lieber noch eine Weile liegen, Hexenmeister«, grollte eine Stimme, die einem der Schatten gehörte, die einen rasenden Veitstanz über ihm aufführten. Andrej hatte das Gefühl, sie erkennen zu müssen, aber das hätte bedingt zu denken, und das erschien ihm zu mühsam. »Dir könnte sonst furchtbar übel werden.«
»Noch mehr, als mir schon ist?« Noch rechtzeitig unterdrückte Andrej den Impuls, heftig den Kopf zu schütteln. »Wohl kaum.«
Der Schatten gerann zu einem schwarz gekleideten Körper von wahrhaft monströsen Ausmaßen, und Andrej hörte ein seltsames Rasseln und Poltern und verstand erst nach einem Moment, dass es ein glucksendes Lachen war. Oder das, was sein Verursacher dafür halten mochte. Ein Knacken wie von zerbrechendem Reisig erklang, als sich Abu Dun vor ihm in die Hocke sinken ließ.
»Gerade wollte ich dich wecken kommen, Hexenmeister«, fuhr der nubische Riese mit einem breiten Grinsen fort. »Ich war ein bisschen in Sorge um dich, aber wie ich sehe, vollkommen umsonst.« Er legte den Kopf schräg und sah mit schlecht gespielter Besorgnis auf ihn herab. »Wie fühlst du dich?«
»Als hätte jemand versucht, mir den Schädel einzuschlagen.«
»Nur versucht?« Breit feixend schüttelte Abu Dun so heftig den Kopf, dass sein Mantel raschelte. »Gewiss nicht.«
»Und du hast nicht zufällig eine Vorstellung, wer das gewesen sein könnte? Oder warum?«
Abu Dun war wohl doch ein besserer Schauspieler, als er geglaubt hatte, denn nun sah er tatsächlich ein wenig verletzt aus. »Wollt Ihr Eurem treuen Diener etwa unterstellen, er hätte Euch geschlagen, Sahib?«
»Und wenn es so wäre?« Andrej versuchte, sich behutsam an der glatten Wand in seinem Rücken aufzusetzen, und war fast überrascht, dass es ihm gelang, auch wenn er mit neuen Schmerzen und einer Woge Übelkeit dafür bezahlte. Auf einmal fühlte er sich unendlich müde und schwach und war sich gar nicht mehr so sicher, dass er seine Fesseln mühelos zerreißen konnte.
»Andrej, jetzt tust du mir wirklich Unrecht«, beschwerte sich Abu Dun, »würde ich dir so etwas antun?«
»Ja«, antwortete Andrej. »Sagst du mir wenigstens, warum?«
Abu Dun wurde ernst. Als er diesmal antwortete, war seine Stimme kaum mehr als ein Flüstern. »Weil du Ali sonst umgebracht hättest, Hexenmeister. Nicht, dass es mir das Herz gebrochen hätte, aber der Moment erschien mir nicht besonders glücklich gewählt. Ich fürchte, dass wir diesen wehrhaften Gottesmann noch brauchen … und so ganz nebenbei hast du eine private Abmachung mit ihm, wenn ich mich richtig erinnere. Oder beinhaltet die auch, ihn bei der ersten Gelegenheit umzubringen?«
Andrej versuchte, diese Worte mit einer Erinnerung in Verbindung zu bringen, aber es gelang ihm nicht. Das Denken war noch immer viel zu mühevoll, etwas, das eine bewusste Anstrengung erforderte. Er schob sich noch eine Winzigkeit weiter in die Höhe und spannte die Armmuskeln an, um seine Fesseln zu zerreißen. Die Stricke ächzten hörbar, aber sie hielten. Das sollte nicht so sein. Er war stark genug, um Ketten zu zerreißen. Ein lächerlicher Strick sollte ihm keine Schwierigkeiten bereiten.
Aber er sollte auch nicht solche Schmerzen haben, und nicht solche Mühe, sich zu erinnern.
Er blinzelte, um wenigstens seinen Blick zu klären. Zwar lichteten sich die trüben Schleier vor seinen Augen, doch dahinter kam nicht viel zum Vorschein, das zu erkennen sich gelohnt hätte. In einiger Entfernung bewegten sich Schatten, und er meinte, gedämpfte Stimmen zu hören, konnte die Worte aber nicht verstehen.
Immerhin fiel ihm auf, dass die Männer Wert darauf zu legen schienen, einen möglichst großen Abstand zu ihm einzuhalten. Und dass es erschreckend wenige waren.
»Wo sind wir?«, fragte er.
Abu Dun nickte vage, wobei sein Turban wie ein eigenständiges Wesen nachwippte. »In Sicherheit, wenn auch wahrscheinlich nicht für lange. Es gibt eine Tür. Ziemlich massiv. Aber du weißt, dass selbst unüberwindliche Festungen überwunden werden können.«
»Und worauf warten wir dann?« Andrej versuchte
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