Nekropole (German Edition)
unbeschreibliche Ekstase, einen Rausch nie gekannter, niemals
erwarteter
Kraft und Allmacht, die die süße Wärme von Corleanis’ Blut in seinen Mund und seine Kehle spülte. Er nahm Corleanis’ Lebenskraft, wärmte sich an der Flamme seiner erstaunlich reinen, unverdorbenen Seele, und es war anders diesmal, so vollkommen
anders
als die vielen Male zuvor, wenn er von denen getrunken hatte, die selbst dem schwarzen Zauber erlegen waren, der ihre Seelen vergiftet hatte. Seine Kraft explodierte, wuchs mit jedem Schluck klebriger Süße, die seine Lippen und sein Gesicht und seine Kehle besudelte um das Doppelte, und als er Corleanis’ ausgeblutete leere Hülle schließlich fallen ließ, fühlte er sich stark genug, Gott selbst von seinem Thron zu stoßen.
Aber das musste warten. Ayla war noch immer in Gefahr, und ihre Rettung hatte Vorrang.
In einer einzigen fließenden Bewegung und ohne auf den erbitterten Kampf hinter sich oder die entsetzten Blicke der Männer zu achten, hob er den
Saif
auf, schwang sich über die Brüstung und sprang ins Herz der tobenden toten Menge hinab.
Sein Schwert kostete bereits kaltes Blut, noch bevor seine Füße den Boden und das tote Fleisch berührten. Sofort wurde er von allen Seiten zugleich attackiert, doch auf einmal schienen ihm die Bewegungen so langsam und bemitleidenswert wie die von Toten, die vergessen hatten, wie man sich bewegte, und sich erst mühsam wieder daran zu erinnern versuchten. Corleanis’ gestohlene Kraft machte ihn nicht nur schneller und stärker, sondern verlieh ihm nun auch endgültige Unverwundbarkeit. Seine Wunden heilten ebenso schnell, wie sie ihm geschlagen wurden, und mit jedem Tropfen Blut, den er vergoss, schien seine Kraft nur noch weiter anzuwachsen. Abu Dun und die anderen waren irgendwo hinter ihm, verschwunden in dem kochenden Ozean aus toten tobenden Leibern, doch Aylas Anwesenheit wies ihm wie eine leuchtende, reine Flamme den Weg. Andrej ergriff das Schwert nun mit beiden Händen und bahnte sich seinen Weg zu ihr wie ein Berserker, eine breite Spur aus zerfetzten Körpern hinterlassend.
Wieder wurde er getroffen, so hart diesmal, dass selbst er unter normalen Umständen zu Boden gegangen wäre, doch er war Gott, Schöpfer und Verheerer von Welten in einem, und jeder Schmerz, der ihm zugefügt wurde, schürte nur seinen Zorn, jede Wunde, die er davontrug, mehrte seine Kraft. Er schwamm in einem Ozean aus Gewalt, badete im Rausch des Tötens, doch nichts vermochte seine Gier nach
mehr
zu stillen.
Nicht einmal als er neben Abu Dun und den anderen ankam, wurde es besser. Er hatte Dutzende niedergestreckt, aber kein Leben genommen. Töten war eine Freude, doch diese Gegner waren Nahrung ohne Wert, die zu nehmen ihn mehr Kraft kostete, als sie ihm gab. Die lodernde Sonne, die in ihm brannte, verzehrte sich in ihrer Raserei selbst. Er brauchte mehr, unendlich viel
mehr
. Vor ihm lockte ein Fanal reiner Kraft, die der seinen beinahe gleichkam, doch es war Abu Dun, dem etwas Vertrautes anhaftete, sodass er ihn nicht nehmen wollte – wenigstens jetzt noch nicht –, sondern stattdessen die Hand nach Ali ausstreckte, um …
Andrej registrierte eine Bewegung aus unerwarteter Richtung und versuchte noch herumzufahren und das Schwert zu heben, doch dieses Mal war er nicht schnell genug. Abu Dun rammte ihm den Knauf seines gewaltigen Säbels mit solcher Wucht gegen die Stirn, dass er nicht einmal mehr merkte, wie es dunkel um ihn wurde.
Kapitel 25
Sein Schädel schmerzte, als er wieder zu sich kam. Nach wie langer Zeit, wusste er nicht, aber über der üblen Platzwunde, die ihm Abu Dun zugefügt hatte, war jetzt eine harte, trockene Kruste, und er war auch nicht mehr in der großen Halle. Schreie und Kampflärm waren verstummt, und die Luft hatte einen sonderbaren Beigeschmack nach einer anderen Art von Tod als bisher.
Das Nächste, was er neben dem pochenden Schmerz zwischen seinen Schläfen bewusst wahrnahm, war, dass er gefesselt war: Seine Handgelenke waren mit einem groben Strick vor der Brust zusammengebunden worden, den er ohne die geringste Mühe hätte zerreißen können. Er verzichtete darauf, wenn auch eher aus Verwirrung als aus irgendeinem anderen Grund, und konzentrierte sich stattdessen lieber darauf, gegen den quälenden Schmerz anzukämpfen, der seinen Schädel von innen heraus spalten wollte, musste aber zu seinem Verdruss feststellen, dass er es nicht konnte. All seine gewohnten Techniken und mentalen Übungen versagten
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