Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nekropole (German Edition)

Nekropole (German Edition)

Titel: Nekropole (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
verspürte, ihm zu helfen und es wohl auch getan hätte, hätte Abu Dun ihm nicht einen warnenden Blick zugeworfen. Außerdem war er immer noch so schwach, dass er selbst Hilfe brauchte, um aufrecht zu stehen. Was war nur mit ihm los? Er hatte die Kraft, die er Don Corleanis gestohlen hatte, in wenigen Augenblicken und in einem einzigen Rausch von Gewalt verbraucht, und da er ihren verderblichen Nachgeschmack noch immer tief in sich spürte, war das wohl auch gut so. Aber seine eigene Kraft hätte längst ausreichen müssen, die Verletzung zu heilen, die ihm Abu Dun zugefügt hatte … Die bleierne Schwere in seinen Gliedern erinnerte ihn an das Gefühl am nächsten Morgen, wenn er zu viel Wein getrunken und zugelassen hatte, dass der Alkohol seine berauschende Wirkung entfaltete. Nur schlimmer. Finsterer.
    »Glaubst du, dass du es noch schaffst?«, wandte sich Clemens an Kasim.
    »Mir fehlt nichts, Herr«, antwortete Kasim, doch seine Stimme zitterte. »Ich … brauche nur ein wenig Ruhe, das ist alles. Eine kurze Rast.«
    »Und genau das geht nicht«, mischte sich Ruetli ein. »Sie kommen näher. Ich weiß nicht, wie lange das Gitter noch hält.«
    »Habt Ihr uns nicht immer wieder versichert, dass dieser Ort vor allen Gefahren geschützt ist?«, fragte Altieri in vorwurfsvollem Ton.
    »Und das ist auch so«, erwiderte Clemens scharf. Er streckte die Hand aus, damit Altieri ihm in die Höhe half, und der Kardinal gehorchte, wenn auch erst nach einem Zögern. »Aber es gibt andere Wege hier herunter. Sie werden uns finden, daran besteht kein Zweifel. Bis dahin dürfen wir nicht mehr hier sein. Ich lasse nicht zu, dass dieser Ort entweiht wird.«
    »Da wären wir schon zwei«, sagte Altieri grimmig. »Wisst Ihr einen anderen Weg hier heraus, Hauptmann?«
    Ruetli nickte so heftig, als hätte er nur auf diese Frage gewartet. »Ein Stück weiter unten gibt es einen Aufstieg in die Gärten hinauf …«
    »Den wir nicht nehmen werden«, sagte Clemens. »Wir müssen weiter hinab. Hast du alles, was du brauchst?«
    Die Frage galt Kasim, der sie mit einem schwachen Nicken beantwortete und die Hand auf einen zerschrammten Lederbeutel sinken ließ, der neben ihm lag. Was immer er mitgebracht hatte, um die Welt zu retten, dachte Andrej spöttisch, konnte nicht besonders groß sein.
    Abu Dun streckte die eiserne Hand aus, um ihm aufzuhelfen. Clemens bückte sich ächzend nach dem Beutel. Es klapperte, als er ihn aufhob. Andrej hätte ihm gerne dabei geholfen, doch er fürchtete um sein Gleichgewicht, wenn er sich zu schnell bückte. Er lauschte in sich hinein und suchte nach Anzeichen von Besserung, vergeblich. Allmählich wurde er zornig auf sich selbst und vor allem auf seinen Körper, der ihn im unpassendsten aller Momente so schmählich im Stich ließ.
    »Ihr habt uns immer noch nicht gesagt, wohin wir eigentlich gehen«, sagte Altieri. »Und was das alles hier bedeutet. Diese Kreaturen … Ihr wisst, was sie sind, und woher sie kommen, nicht wahr?«
    »Ihr müsst uns nicht begleiten«, sagte Clemens, einer Antwort auch jetzt wieder ausweichend. »Aber ich flehe Euch an, uns nicht aufzuhalten.«
    »Nicht, dass er es könnte«, fügte Abu Dun hinzu. Damit hatte er zweifellos recht, aber Andrej wünschte sich trotzdem, er würde nicht noch mehr Öl ins Feuer gießen.
    »Das ist der falsche Weg«, sagte Clemens an niemand Bestimmten gewandt. »Es ist schon viel zu viel Blut vergossen worden. Und es wird mehr, mit jeder Sekunde, die wir hier stehen und unsere Zeit mit Reden verschwenden.«
    »Amen«, fügte Abu Dun hinzu.
    »Ja, das ist hilfreich«, seufzte Andrej. »Wirklich.«
    »Ungefähr so hilfreich wie dieses Gespräch«, sagte Abu Dun mit harter Stimme, und sein breites Grinsen erlosch. »Was soll dieser Unsinn? Warum verschnüren wir diesen Pfaffenstrick nicht zu einem handlichen Paket und gehen weiter, um zu tun, wozu wir hergekommen sind?«
    »Wenn du mir sagst, was genau das ist.«
    Abu Dun hatte – ganz gewiss nicht versehentlich – Italienisch gesprochen, und ebenso wenig zufällig so laut, dass nicht nur Altieri seine Worte gehört haben musste.
    »Was fällt dir ein, so mit seiner Exzellenz zu …?«, begann Ruetli und brach dann ab, als Abu Dun betont langsam den Kopf drehte und mit steinernem Gesicht die Schultern straffte und sich zu seiner vollen Größe aufrichtete, um ihn noch ein wenig mehr zu überragen.
    »Ich fürchte, Abu Dun sagt die Wahrheit«, sagte Clemens hastig. »Uns bleibt wirklich nicht viel

Weitere Kostenlose Bücher