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Nekropole (German Edition)

Nekropole (German Edition)

Titel: Nekropole (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Wand, sondern eine Reihe gemauerter Doppelbögen, die mit schweren Eisengittern verschlossen waren. Der Anblick erinnerte Andrej an die uralten Verliese, die sie im Keller des Kolosseums gesehen hatten, nur, dass es sich hier nicht um Zellen handelte, in denen Gladiatoren auf ihren Kampf oder Delinquenten darauf warteten, zur Belustigung der Menge auf möglichst spektakuläre Weise hingerichtet zu werden. Dahinter begannen weitere gemauerte Gänge, die noch tiefer ins steinerne Herz der Erde führten.
    »Ich verstehe«, nörgelte Abu Dun. »Und jetzt sollen wir loslaufen und uns aufspießen oder von herabstürzenden Steinen erschlagen lassen oder in Fallgruben stürzen, in denen angespitzte Pfähle darauf warten, uns zu durchbohren? Weil das …«, er maß Ali mit einem schrägen Blick, »…
meinesgleichen
ja nichts ausmacht.«
    »Wenn es so einfach wäre, dann bräuchten wir euch nicht«, zischte Ali.
    »Immerhin gibt er es zu«, feixte Abu Dun.
    Clemens hinderte den Camerlengo mit einem strengen Blick daran, zu antworten und noch mehr Öl ins Feuer zu gießen. »Kommt«, sagte er. »Aber seid vorsichtig, gebt acht, wo ihr hintretet.« Er unterstrich seine Worte mit einer warnenden Geste und ging dann voraus, auf seinen Stock gestützt und mit sehr kleinen und vorsichtigen Schritten, wobei er jedes Mal fast unmerklich zögerte, bevor er den Fuß aufsetzte und den Boden mit seinem ganzen Gewicht belastete.
    Andrej fragte sich, warum. Gleich, ob Clemens wirklich wusste, welche Geheimnisse diese Hallen und Gänge bargen, gleich, welche geheimnisvollen Baumeister dieses Labyrinth erschaffen hatten: Heimtückische Kontakte im Boden, die tödliche Fallen auslösten, gehörten ins Reich der Fabeln und Abenteuergeschichten. Selbst wenn es diesen Mechanismus irgendwann einmal gegeben hätte – was Andrej bezweifelte –, würde er wohl nach tausend Jahren der Vernachlässigung und des Verfalls nicht mehr funktionieren. Dennoch ertappte er sich dabei, wie er sich auf dieselbe übervorsichtige Art bewegte, während er Clemens folgte. Und nicht nur er.
    Auf halbem Wege zur anderen Seite hielten sie noch einmal an, um einen schmalen Kanal zu überqueren, in dem übel riechendes Wasser mit enormer Geschwindigkeit dahinschoss. Vor langer Zeit einmal musste er unter dem Hallenboden verborgen gewesen sein, aber die kostbaren Mosaikfliesen waren schon vor Jahrhunderten zerfallen. Abu Dun, Ali und auch die meisten anderen traten ohne Mühe mit einem großen Schritt darüber hinweg, während Clemens sich sichtlich schwertat und Kasim zwar zu stolz war, um die angebotene Hilfe anzunehmen, das aber um den Preis, dafür um ein Haar in der stinkenden Brühe zu landen.
    Das war allerdings auch die Einzige der heimtückischen Fallen
,
vor denen Clemens sie so eindringlich gewarnt hatte. Sie erreichten die andere Seite der Halle unversehrt und blieben vor einem der mächtigen Torbögen stehen. Aus der Nähe betrachtet wirkten sie nicht nur sehr viel größer als aus der Entfernung, auch die Gitter waren sehr viel massiver. Und in einem ganz erstaunlich guten Zustand, wenn man ihr Alter bedachte.
    »Wo genau sind jetzt diese schrecklichen Fallen, die uns alle aufspießen und zerstückeln und zerquetschen sollen?«, fragte Abu Dun.
    Ali deutete schweigend auf das gewaltige Schloss, das das Gitter aus dicken Stäben vor ihnen sicherte. Wie alle Schlösser aus so alter Zeit erschien es Andrej riesig und so massiv, als könne es einem Kanonenschuss standhalten, und dabei war es so filigran und aufwendig gestaltet, wie er es noch nie gesehen hatte.
    »Das Schloss?« Abu Duns Staunen war nur zum Teil gespielt. »Und ich dachte, ihr hättet den zweitbesten Schlosser diesseits des Mittelmeeres bei euch?« Er klapperte mit seiner Eisenhand.
    »Kasim könnte diese Schlösser mühelos öffnen«, antwortete Clemens ernst. »Aber dazu fehlt uns die Zeit. Und wir wissen nicht, welches.«
    Er deutete auf den gewölbten Gang hinter dem Gitter. Das helle Licht der Fackeln schien sich nach wenigen Schritten in der Leere jenseits des Gitters zu verlieren, so, als wäre das Gittertor gleichermaßen auch die Schwelle zu einer anderen Welt, in der nichts aus der der Menschen Bestand haben konnte. »Alle diese Gänge führen zum gleichen Raum, und es ist in jedem Jahr ein anderes Tor, das sich öffnen lässt. Niemand, mit dem ich je gesprochen habe, kann sich erklären, wie es funktioniert, aber es ist so.«
    »Dann brecht doch einfach das Schloss auf«, schlug

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