Nekropole (German Edition)
waren und er sich bei seinem gewagten Sprung wie durch ein Wunder nicht schwer verletzt hatte, fühlte er sich elend, und seine Laune hatte einen Tiefpunkt erreicht. Er fror noch immer, als hätte die Kälte etwas in seinem Inneren erstarren lassen, das durch das kümmerliche Kaminfeuer und einen Schluck lauwarme Suppe nicht wieder aufgetaut werden konnte. Sein Fuß schmerzte mehr denn je, und er fühlte sich leer, auf eine Weise ausgebrannt, die ihm neu war und ihn erschreckte.
»Ganz wie Ihr es befehlt, Massa«, sagte Abu Dun grinsend. Er trank einen weiteren großen Schluck Bier und stülpte die Unterlippe vor, wobei nicht klar war, ob diese Geste Andrejs Worten galt oder dem Geschmack des schalen Gebräus, von dem der Wirt behauptete, es wäre Bier. Was ihn allerdings nicht daran hinderte, den Becher mit einem weiteren großen Schluck zu leeren und sofort einen neuen zu bestellen.
»Ich muss mit Hasan sprechen«, fuhr Andrej fort. »Ich will verdammt noch mal endlich wissen, was hier los ist. Ich werde nicht gerne benutzt, weißt du?«
»Das kommt immer darauf an von wem«, sagte Abu Dun schulterzuckend. Seine Faust schloss sich um den Becher und brach ihn in Stücke. Abu Dun machte ein betroffenes Gesicht, fuhr dann aber versonnen fort: »Wenn ich da an dieses rothaarige Teufelsweib aus Akkon denke …«
»Ich meine es ernst, Pirat«, unterbrach ihn Andrej ärgerlich. »Irgendjemand hier sagt uns nicht die Wahrheit. Das gefällt mir nicht.«
Der Wirt kam und brachte jetzt gleich einen ganzen Krug Bier und einen aus Holz geschnitzten groben Becher – oder zumindest ein Stück Holz mit einem Loch darin, das man mit sehr viel gutem Willen als Becher benutzen konnte. Wortlos knallte er beides vor Abu Dun auf den Tisch und funkelte ihn herausfordernd an. Der Nubier betrachtete es nachdenklich, griff dann – mit seiner gesunden linken Hand – nach dem Becher und schloss die Finger mit aller Kraft darum. Einen Augenblick lang geschah gar nichts. Dann zersprang der Holzklotz in drei große und unzählige kleinere Bruchstücke, die wie eine explodierende Kanonenkugel in alle Richtungen davonflogen. Mit der linken Hand griff er nach dem Krug und nahm einen gewaltigen schlürfenden Schluck.
»Schon besser«, sagte er und ließ einen lautstarken Rülpser folgen.
Der Wirt machte ein angewidertes Gesicht, zog mit spitzen Fingern einen fünf Zoll langen, nadelspitzen Dorn aus seiner Schürze und ging. Abu Dun sah ihm feixend nach und nahm einen lautstarken Schluck. Bier spritzte aus dem Krug, als er ihn wuchtig auf die Tischplatte knallte. Andrej seufzte.
Abu Dun rülpste und stand unsicher auf. »Entschuldigt Euren willigen Sklaven für einen Moment, Massa«, sagte er mit schwerer Zunge. »Er muss das Bier wieder zurückbringen und sich darauf konzentrieren, den richtigen Eimer zu finden … obwohl den Unterschied wahrscheinlich niemand schmecken würde. Vielleicht hat es ja schon einer getan, wer weiß.«
Andrej sah stirnrunzelnd zu, wie Abu Dun schwankend durch den Raum ging und es sich dabei natürlich nicht nehmen ließ, Tische anzurempeln und Becher umzuwerfen, sodass ihm ein gedämpftes Murren folgte. Abu Dun wich ihm aus, und das gefiel ihm ganz und gar nicht, denn der Nubier nahm normalerweise kein Blatt vor den Mund, sondern glänzte mit Offenheit. Wenn er etwas für sich behielt, dann war das durchaus ein Grund, sich Sorgen zu machen.
»Ihr solltet ein wenig auf Euren Sklaven achten, Conte Delãny.« Don Corleanis setzte sich ungefragt an ihren Tisch und deutete auf den schon zu einem Gutteil geleerten Krug. »Diese Muselmanen sind Alkohol nicht gewohnt.«
»Einfach nur Andrej«, verbesserte ihn Andrej. »Ich bin kein Adliger.« Und er verabscheute den Adel. »Und Abu Dun ist nicht mein Sklave. Wenn du so etwas in seiner Gegenwart sagst, reißt er dir den Kopf ab.« Was vielleicht gar nicht einmal die schlechteste aller Ideen war. Und Abu Dun konnte auch ein ganzes Fass Bier trinken, ohne, dass es ihn beeinträchtigte. Aber das musste er ja nicht gleich jedem auf die Nase binden.
»Ein Mann wie du verdient Respekt«, widersprach Corleanis kopfschüttelnd. »Und ich meine es ernst. Viele meiner Männer mögen die Muselmanen nicht. Sie akzeptieren ihn, weil er zu dir gehört und du das Vertrauen seiner Heiligkeit genießt, und weil ich ihnen befohlen habe, es zu tun, aber er sollte vorsichtig sein. Fast jeder meiner Männer hat mindestens einen Verwandten oder Freund an die Türken verloren. So etwas
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