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Nekropole (German Edition)

Nekropole (German Edition)

Titel: Nekropole (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Anstrengung der zurückliegenden Minute ihren Tribut, und er sah, wie alle Kraft aus Hasans gebrechlichem Körper wich, und konnte gerade noch rechtzeitig hinspringen, um ihn aufzufangen, als er gegen die Wand torkelte.
    Abu Dun und Ali stürmten hinter ihm herein. Während Abu Dun ebenfalls zum Fenster lief, sich aber lediglich auf die Zehenspitzen stellen musste, um hindurchzuspähen, erfasste Ali die Lage mit einem einzigen Blick, kippte das Bett in die Waagerechte zurück und half Andrej, Hasan behutsam hinzuführen und auf die zerschlissenen Strohsäcke sinken zu lassen, die als Matratze dienten.
    »Sie ist weg«, murmelte Hasan immer wieder. »Sie ist verschwunden, Ali. Das darf nicht sein! Nicht so kurz vor dem Ziel! Warum straft Gott mich so?«
    »Wir werden sie finden, Herr«, sagte Ali. »Macht Euch keine Sorgen. Ich werde sie sofort suchen.«
    »Und du weißt auch, wo?« Abu Dun drehte sich vom Fenster weg und verschränkte herausfordernd die Arme vor der Brust. »Habe ich recht?«
    »Jetzt nicht«, sagte Ali unwirsch. Er wandte sich an Andrej und herrschte ihn an: »Hilf mir, ihn nach unten zu bringen.«
    Tatsächlich mussten sie Hasan stützen wie einen uralten Mann, um ihn über die steile Treppe nach unten zu schaffen. Im Gastraum hatten sich mittlerweile alle überlebenden Assassinen und auch die meisten von Corleanis’ Männern versammelt und zu Andrejs großer Erleichterung die beiden Toten hinausgebracht. Der Raum stank so durchdringend nach Tod und vor allem Blut, dass Andrej am liebsten die Flucht ergriffen hätte.
    Stattdessen zog er einen Stuhl heran und ließ Hasan vorsichtig darauf nieder. Trotzdem hatte er das Gefühl, schon seine bloße Berührung bereitete dem Alten Schmerzen.
    »Bringt Wasser«, sagte er. »Oder besser einen Becher Wein. Den Stärksten, den ihr findet.«
    »Das ist …« Hasan schloss kurz die Augen und setzte dann und mit festerer Stimme neu an: »Das wird nicht nötig sein. Es geht schon wieder.« Er atmete so tief ein, dass es fast wie ein unterdrücktes Stöhnen klang. »Ich muss mich entschuldigen, so die Beherrschung verloren zu haben.«
    »Verzeiht, Herr, aber das ist Unsinn«, sagte Ali. »Ihr hattet jedes Recht dazu.«
    »Und du gar keines, Freund«, antwortete Hasan, allerdings mit einem Lächeln, das seinen Worten jegliche Schärfe nahm. »Ich hätte wissen müssen, dass so etwas passiert.«
    »Dass
was
passiert?«, fragte Abu Dun scharf. »Und keine Ausflüchte mehr.«
    Ali wollte auffahren, doch Hasan bedeutete ihm zu schweigen. »Es ist gut, Ali. Es stimmt. Ich hätte ihnen längst alles sagen sollen. Vielleicht wäre dann so manches gar nicht passiert.«
    Ali schwieg. Er war nicht mit Hasans Entscheidung einverstanden, aber er wagte es nicht, zu widersprechen.
    »Geht hinaus«, sagte Hasan. »Alle.«
    Die Assassinen und – nach einigem Zögern – auch Corleanis und seine Männer zogen sich gehorsam zurück, nur Ali und Kasim warteten, bis sie allein waren und nahmen auf einen stummen Wink Hasans Platz, genau wie Andrej und Abu Dun, wenn auch als Letzter und mit Widerwillen.
    »Ich habe euch nicht die Wahrheit gesagt«, begann Hasan nach einer Weile.
    »Ach, tatsächlich?«, stichelte Abu Dun.
    »Es war kein Zufall, dass wir uns in der Wüste begegnet sind«, sagte Hasan.
    Andrej war nicht überrascht. Er hatte schon vor langer Zeit aufgehört, an Zufälle zu glauben. »Warum?«, fragte er nur.
    »Es ist kompliziert«, sagte Hasan ausweichend.
    »Wir haben sehr viel Zeit«, sagte Abu Dun.
    Andrej bedachte ihn mit einem zornigen Blick, doch Hasan schüttelte nur den Kopf und antwortete: »Aber ich nicht, fürchte ich. Jedenfalls nicht so viel, wie ich bräuchte, um es euch wirklich zu erklären. Ich weiß schon lange von eurer Existenz.«
    »Von uns?«, fragte Abu Dun.
    »Männern und Frauen wie euch«, präzisierte Hasan. »Unsterbliche, die nicht altern und dem Tod trotzen, und die von der Lebenskraft anderer zehren, um ihre eigene Existenz zu verlängern.«
    »Wir sind …«, begehrte Abu Dun auf, doch Hasan fiel ihm sanft ins Wort: »Anders, ich weiß. Die meisten, die von der Existenz eurer Art wissen, halten euch für Dämonen und Teufelsanbeter oder zumindest für verderbt. Und auf die meisten eurer Art trifft das wohl auch zu.«
    »Auf viele, die wir getroffen haben«, sagte Andrej.
    »Die meisten sind tot«, fügte Abu Dun hinzu.
    »Von eurer Hand gerichtet«, sagte Hasan. »Auch das ist mir wohlbekannt. Ihr beide seid etwas Besonderes unter den

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