Nekropole (German Edition)
Fleisch noch immer etwas von dem früheren Menschen war, dazu verdammt, machtlos zuzusehen, wie er zu einem Ungeheuer wurde, wie es schlimmer nicht in den grässlichsten Albträumen sein konnte?
Wenn Hasans Glaube wahr war und es eine Hölle gab, dachte er, dann musste es
das
sein.
»Wüsste ich die Antworten auf alle Fragen, dann wären wir jetzt nicht hier«, sagte Hasan. »Es ist nicht das erste Mal, dass sie versuchen, Aylas habhaft zu werden. Denk an Jaffa und den Goldmarkt.«
Gerade daran dachte Andrej, doch etwas schien ihm an diesem Bild nicht ganz stimmig, aber der Gedanke entschlüpfte ihm, bevor er ihn zu Ende verfolgen konnte.
»Alles wird ein Ende haben, wenn ich getan habe, wozu wir hergekommen sind«, sagte Hasan.
»Aber vorher müssen wir Ayla finden«, erinnerte Ali.
»Und wie?«, fragte Abu Dun. »Weißt du, wohin sie will? Oder weiß sie, wohin wir wollen? Also, nicht, dass ich es wüsste …«
»Nicht genau«, gestand Ali. »Aber es gibt ein paar Plätze in dieser Stadt, an denen sie sein könnte.«
»Könnte?«
»Irgendwo müssen wir anfangen zu suchen, oder?«
Andrej hob rasch die Hand, um den drohenden Streit im Keim zu ersticken. Jetzt war nicht der Moment für solche Albernheiten. »Kennt sie sich hier in Rom aus?«
»Nicht sehr gut«, sagte Hasan. »Wir waren schon hier, aber es ist lange her, und sie war damals wirklich noch ein Kind.«
»Das ist eher von Vorteil«, sagte Abu Dun. »Es schränkt die Anzahl der Orte ein, an denen wir suchen müssen.«
»Sie wird einen Ort aufsuchen, den sie kennt«, stellte Andrej fest. »Oder Menschen, denen sie vertraut. Gibt es die?«
Hasan wollte antworten, doch Kasim kam ihm zuvor. »Ich kann sie finden.«
»Du?« Sowohl Andrej als auch Abu Dun sahen ihn gleichermaßen überrascht wie misstrauisch an. Ali musterte Kasim, doch dann schüttelte er heftig den Kopf und sagte scharf: »Das kann ich nicht zulassen.«
»Aber ich kann es«, sagte Kasim beharrlich. »Ich finde sie.«
»Ich weiß«, sagte Ali. »Aber es bleibt dabei. Wir lassen nicht zu, dass du …«
»Ich habe Euch mein Leben lang treu gedient, Herr«, fuhr Kasim fort, mit leiser, bebender Stimme, den Blick fest auf Hasans Gesicht gerichtet. »Bitte zwingt mich jetzt nicht, Euren letzten Befehl zu verweigern. Ich werde sie finden, so oder so, aber ich wünschte mir, dass dieses Opfer nicht sinnlos wäre.«
Hasan tauschte einen langen Blick mit Ali, und seine Augen wurden dunkel vor Gram.
Aber schließlich nickte er.
»Du glaubst vielleicht, es Ayla schuldig zu sein, aber das bist du nicht. Was geschehen ist, war ganz allein meine Entscheidung und meine Schuld.«
»Ich kann es auch allein tun«, antwortete Kasim, als hätte er gar nichts gesagt. »Aber es wäre mir lieber, wenn Ihr es tut.«
»Wenn er
was
tut?«, fragte Abu Dun.
»Dann soll es so sein«, seufzte Hasan, und in diesem Moment war er wirklich nicht mehr als ein uralter gebrochener Mann. Er stand auf, doch schon diese kleine Anstrengung kostete ihn beinahe mehr Kraft, als er aufbringen konnte. Ali wollte ihm helfen, doch Hasan schüttelte den Kopf und stützte sich schwer auf seinen Stock, und Ali zog die Hand hastig wieder zurück.
»Wartet hier«, sagte Hasan. »Es wird nicht lange dauern.«
»Was wird nicht lange dauern?«, fragte Abu Dun noch einmal. Als er auch diesmal wieder keine Antwort bekam, wollte er zornig auffahren, doch Andrej legte ihm rasch die Hand auf den Unterarm. Zu seiner Überraschung hielt sich Abu Dun tatsächlich zurück, wenn auch um den Preis, dass sich sein Ärger nun gegen ihn zu richten begann.
Immerhin wartete er, bis Hasan und die beiden anderen den Raum verlassen hatten, dann jedoch zog er den Arm mit einem Ruck weg und fuhr ihn an: »Wie lange willst du dich noch von diesem alten Tattergreis an der Nase herumführen lassen, Hexenmeister?«
»Tut er das?«, fragte Andrej.
»Nein, natürlich nicht«, sagte Abu Dun spöttisch. »Und ich bin auch ganz sicher, dieses Katzenvieh ist ganz zufällig hier und jetzt aufgetaucht, nicht wahr?«
»Du warst dabei«, erinnerte Andrej. »Und es wimmelt in dieser Stadt von streunenden Katzen. Dafür ist Rom bekannt.«
Abu Dun kniff das linke Auge zu. »Trojanischen Zombiekatzen?« Doch er winkte mit der gesunden Hand ab, als Andrej antworten wollte. »Es war nicht die Katze, Hexenmeister, und das weißt du auch. Sie war ebenso ein Opfer wie dieser arme Kerl gerade.«
»Und was schlägst du vor?«, fragte Andrej hitzig.
Abu Dun sah ihn
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