Nekropole (German Edition)
und riss sich zusammen, um ruhiger weiterzusprechen. »Ayla war mir von Anfang an nicht geheuer. Und so nah, wie du ihr stehst, wirst du doch spüren, dass mit ihr etwas nicht stimmt, Andrej. Ich weiß noch nicht genau welche, aber sie spielt eine Rolle in dieser Geschichte. Und keine gute.«
Andrej spürte Zorn in sich aufsteigen. Wie kam Abu Dun auf so eine Ungeheuerlichkeit? Ayla war das Opfer in dieser Geschichte. »Du kannst Corleanis und seine Schmugglerbande gerne begleiten, wenn du möchtest, Pirat«, sagte er gepresst. Was vielleicht ohnehin das Beste gewesen wäre.
»Nein«, antwortete Abu Dun, »den Spaß lasse ich mir nicht nehmen.« Er stieß noch einmal mit der Stiefelspitze nach der toten Katze. »Was ist hier passiert?«
»Frag Kasim«, antwortete Andrej kalt. »Er scheint sich besser mit solchen Dingen auszukennen. Katzenbisse sind offenbar wirklich so gefährlich, wie er behauptet.«
»Nur, falls es dir nicht aufgefallen sein sollte, Pirat«, sagte er. »Ayla ist fort.«
»Und ich bin sehr sicher, dass wir sie wiederfinden«, versetzte Abu Dun. »Spätestens du, so sehr, wie du die Kleine ins Herz geschlossen hast. Aber ich behalte sie im Auge. Und dich auch, Hexenmeister.«
»Jetzt bin ich beruhigt«, sagte Andrej böse. »War das alles?«
»Hasan hat mich geschickt, um dich zu holen.« Abu Dun beugte sich vor, um den Kadaver der Katze zu begutachten, und verzog angewidert die Lippen.
»Wir sollten sie nicht so liegenlassen«, sagte er. »Es wäre nicht gut, wenn sie jemand findet und anfasst.«
Andrej lauschte in sich hinein, doch das Fremde und Düstere, das ihn hierher geführt hatte, war nicht mehr da. Indem er ihr Gehirn zerstört hatte, war auch die böse Verhöhnung von Leben aus der toten Katze gewichen. Ali hatte also nicht nur instinktiv gehandelt, sondern gewusst, was er tat.
»Das ist nicht nötig«, sagte er und ging an Abu Dun vorbei zum Gasthaus zurück.
»Wo ist dein Freund?«, fuhr ihn Ali an, noch bevor er ganz im Zimmer war. Hasan ließ ein fast resigniertes Seufzen hören, und Kasim wandte sich rasch ab, und noch bevor Andrej einen Blick auf sein Gesicht erhaschen konnte.
»Hier«, sagte Abu Dun hinter ihm, bevor er antworten konnte. »Und ich wundere mich ein bisschen, dass du dieses Wort überhaupt kennst. Hier, ich habe dir ein Geschenk mitgebracht.«
Damit trat er an Andrejs Seite und warf die tote Katze, die er mit spitzen Fingern am Schwanz trug, in hohem Bogen auf den Tisch. Einer der Assassinen hob erschrocken die Hand vor den Mund, ein zweiter wich hastig zurück, um nicht mit Blut bespritzt zu werden. Die anderen hatten sich besser in der Gewalt.
Ali beugte sich vor, um das tote Tier zu begutachten. »Du hast sie erledigt«, sagte er anerkennend. »War es ein harter Kampf?«
Hasan brachte ihn mit einer knappen Geste zum Verstummen. »Hat sie dich gebissen oder gekratzt?«
»Nein«, erwiderte Abu Dun. »Aber ich vermute, mir hätte ohnehin nichts passieren können, oder?«
Hasan überging die Frage und winkte rasch einen anderen Mann herbei. »Verbrennt das Tier. Aber seid vorsichtig. Sein Blut ist vergiftet.«
»Nicht mehr«, sagte Kasim, ohne sich zum Tisch umgedreht zu haben. »Es ist vorbei.«
Abu Dun zog fragend die Stirn kraus, und Andrej warf ihm einen raschen, mahnenden Blick zu, doch seine geheime Hoffnung erfüllte sich nicht. Kasim sprach nicht weiter.
»Seid trotzdem vorsichtig«, sagte Hasan. »Und sorgt dafür, dass niemand diese arme Kreatur sieht.« Er hob die Hand und legte Zeige- und Mittelfinger aneinander, fast als wollte er den Mann segnen, wandelte die Geste jedoch in ein ungelenkes Winken um, mit dem er auf die Tür deutete. »Kasim.«
Kasim wandte sich zu ihnen um. Andrej hatte Mühe, sich sein Erschrecken nicht anmerken zu lassen. Kasims Haut war grau, und unter seinen Augen lagen dunkle Ringe, als hätte er tagelang nicht geschlafen. Er wirkte krank. Noch vor wenigen Minuten, als sie sich das letzte Mal gesehen hatten, war das nicht so gewesen. Als er den Blick auf sie richtete, lag Furcht darin, eine Furcht, die keine Hoffnung kannte.
»Was habt ihr getan?«, fragte Abu Dun erschrocken, aber mit einem drohenden Unterton.
»Nichts«, antwortete Kasim. »Es war ganz allein meine Entscheidung, und sie geht dich nichts an.«
»Aber …«
»Lasst uns gehen.« Hasan wiederholte seine auffordernde Handbewegung. »Uns bleibt nicht viel Zeit, und jeder Moment zählt.«
Abu Dun sah ganz und gar nicht so aus, als würde er sich
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