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Nele Paul - Roman

Titel: Nele Paul - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Birbaek
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zweimal über die Rheinbrücken führte, fanden wir die Adresse in einer Nobelstraße, die überwiegend aus Geschäften und modernen Bürogebäuden bestand. Das Haus erwies sich als ein vierstöckiges verglastes Gebäude. Ein kleiner Vorgarten – alles darin blühte und war so akkurat gestutzt wie auf der Landesgartenschau.
    Rokko musterte das Haus.
    »Die Geschäfte scheinen zu laufen.«
    Wir betraten den marmornen Hausflur und gingen an Briefkästen vorbei, die wie kleine Safes aussahen. Ein Fahrstuhl brachte uns lautlos in den vierten Stock, wo wir vor einer massiven Tür stehen blieben, auf der ein kleines Schild hing. Anja und Momo wünschten uns einen schönen Tag. Ich drückte die Klingel. Das Mädchen, das öffnete, trug einen Kimono und zwei von diesen Hausschuhhasen an den Füßen. Sie war Ende zwanzig, hatte einen Schmollmund, einen Pagenschnitt und zu große Brüste für ihre Körpergröße. Sie wäre sehr hübsch gewesen, wenn sie nicht so angewidert dreingeschaut hätte. Noch bevor ich den Dienstausweis hob, sah ich in ihren Augen, dass sie Bescheid wusste. Der Geschäftsführer hatte angerufen und sie gebrieft.
    »Polizei. Momo Hassler?«
    Sie warf einen flüchtigen Blick auf den Ausweis und schob ihre Unterlippe vor.
    »Was gibt’s denn?«
    Ich improvisierte.
    »Das wissen Sie doch.«
    Sie warf einen Blick den Flur hinunter, trat dann einen Schritt zurück und ließ mich eintreten. Wir folgten ihr inein sonnendurchflutetes Loft, das teuer eingerichtet war. In einer Ecke des Raums stand eine Ledergarnitur, in einer Ecke ein Eichenesstisch und drum herum vier schwindsüchtige Designerstühle. Von dem Raum gingen Türen in Küche, Flur und auf die enorme Sonnenterrasse ab. Momo setzte sich auf einen der Designerstühle und klemmte sich die Hände zwischen die Knie. Rokko stellte sich ans Fenster und sah nach draußen. Ich unterzog den Stuhl vor ihr einer skeptischen Musterung.
    »So ein Drama wegen der doofen zehn Gramm«, sagte sie und zog eine Flunsch.
    Wir sagten nichts. Momo schaute von einem zum anderen. »Ich hab doch gesagt, ich kenn den Verkäufer nicht. Was wollen Sie denn noch?«
    Ich ließ sie ein bisschen zappeln, bevor ich antwortete.
    »Von Ihnen vielleicht nichts.«
    Hoffnung blitzte in ihrem Gesicht auf. Ich setzte mich auf den Stuhl vor ihr und hoffte, er würde ein paar Minuten halten.
    »Es dreht sich um eine Ihrer Kolleginnen aus der Agentur. Wir suchen sie.«
    Ich zeigte ihr Neles Foto. Sie zog eine Grimasse.
    »Tracy.«
    Mein Herz klopfte, als ich das Foto wieder in meine Brusttasche schob.
    »Und weiter?«
    Sie schob die Unterlippe wieder vor und zog die Schultern hoch.
    »Keine Ahnung. Der Name ist doch eh falsch.« Zum ersten Mal entdeckte ich so etwas wie Interesse in ihrem Blick. »Was hat sie angestellt?« Sie sah mein Gesicht und winkte schnell ab. »Geht mich ja nichts an.«
    »Genau, beantworte einfach die Fragen«, knurrte Rokko. Momo zog einen neuen Schmollmund. Und dann erfuhren wir, dass sie und Tracy ein paar Monate zusammengewohnthatten und es vom ersten Tag an nicht funktioniert hatte. Tracy war arrogant, ein Exmodel aus Amerika, meinte, sie sei was Besseres, mochte keine Fremden in der Wohnung, aber Momo brachte sich gerne mal jemanden mit. Tracy brauchte Ordnung, Momo nicht so. Die Chemie hatte nicht gestimmt. Nach ein paar Monaten hatte Tracy ihre Sachen gepackt und war ausgezogen. Momo hatte sie noch ein paarmal in der Agentur gesehen, sonst kein Kontakt.
    »Worüber haben Sie sich gestritten?«, fragte ich.
    »Wegen allem eigentlich«, sagte sie und kaute auf ihrer Lippe.
    »Hat sie sich mit jemandem getroffen? Kollegen, Freunde, Liebhaber?«
    »Nee, die war doch immer bei ihrem Vater. Der war hier irgendwo im Heim.« Sie runzelte die Stirn und schob die Unterlippe vor. »Hat sie zumindest behauptet.«
    Irgendwo in der Wohnung öffnete sich eine Tür. Rokko richtete sich auf und sah zum Flur.
    »Wer kommt da?«
    »Ein neuer Kollege«, sagte sie sarkastisch.
    Schritte näherten sich, und kurz darauf trat ein barfüßiger Mittzwanziger in die Küche. Er sah aus wie ein Sportler. Bei jedem Schritt bewegten sich die Muskeln unter seiner Haut, als würden sie einen Ausweg suchen, auf seinem Bauch saß ein Sixpack wie aufgenäht. Seine Strubbelfrisur saß perfekt, dafür hatte er vergessen, seine Zehennägel zu reinigen. Eine Narbe auf der Wange, Stecker in Bauchnabel und Brustwarzen rundeten das Bild ab. Das alles konnte man so deutlich erkennen, weil er nichts

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