Nele Paul - Roman
hübschen Fingerchen schmutzig machen, und wenn sie die Sache dann kapiert haben, werfen sie sich die falschen Pillen ein, und wupp, liegst du eben mal im Schrank und chillst.«
Ich füllte meine Lungen langsam mit Luft und versuchte, nicht daran zu denken, wie Nele sich gefühlt haben musste. Ich ließ die Luft wieder durch die Nase rausströmen. Momo sah zu Rokko, doch er hatte seinen Bullenblick aufgesetzt und wartete. Ich räusperte mich.
»Hatte sie an dem Abend was getrunken?«
»Weiß ich doch nicht.«
»Drogen?«
»Weiß ich nicht.«
»Hatte sie an dem Tag einen Kunden?«
»Nee, die hatte kaum Kunden. Die war wählerisch.«
Aus ihrem Mund klang es wie leprakrank.
»Um welche Uhrzeit haben Sie sie gefunden?«
Sie dachte nach. Dabei schob sie ihre Unterlippe weiter vor. Sie sah aus wie ein schmollender Barsch.
»Tja, ich hab die Termine immer so um acht, neun. Dann war es ’ne halbe Stunde davor. Darum hatte ich es ja eilig. Die Typen verzeihen einem nichts. Kommste zu spät, gibt’s Ärger.«
Ich spürte Rokkos Seitenblick, behielt aber Momo im Auge. »Und wann war das?«
»Sag ich doch, um acht oder so.«
»Der Termin«, sagte ich und versuchte, nicht zu schreien. »Vor einem Monat? Vor zwei Monaten? Drei? War es draußen warm oder kalt?«
»Ach so.« Sie guckte zur Decke, als sie nachdachte. »Muss so im Frühling gewesen sein.« Sie runzelte die Stirn. »Hat das damit zu tun, dass sie sich im Schrank versteckt?«
»Sagen Sie es mir.«
»Woher soll ich das wissen? Aber wieso nicht, im Frühling legen die Irren ja gern mal ’ne Schippe drauf.« Sie senkte den Kopf etwas. »Die Kunden übrigens auch, kann ich Ihnen sagen.«
Sie kniepte uns zu. Ich bekämpfte den Drang, sie an der Unterlippe zu packen und durchzurütteln. Vielleicht hatten das schon zu viele getan.
»Sie haben also nie mit ihr über diesen Abend gesprochen?«
»Sag ich doch.«
»Und ist so etwas noch mal passiert?«
»Keine Ahnung, aber wundern würd’s mich nicht. Die war Model gewesen, die schnallte einfach nicht, dass die Showvorbei war. Letztens wohnte hier ’ne Schauspielerin. Die dachte, das Leben wär ein Film oder so. Nach dem dritten Job fing die an, Tabletten zu fressen wie ’n Türke Döner. Jetzt ist sie weg, und Tarzan ist da, aber der muss sich den ganzen Tag den Kopf zurauchen, um klarzukommen. Mal schauen, was als Nächstes kommt, ja, aber eine ist immer da: Momo.« Sie tippte sich an die Stirn. »Ich hab’s eben gecheckt.«
Neben mir gab Rokko ein Geräusch von sich. Ich behielt Momo im Blick.
»Sie sind keine große Hilfe, Momo.«
Ich stand auf. Rokko stand ebenfalls auf. Ich zog eine Karte aus der Tasche und legte sie auf den Küchentisch.
»Falls Ihnen noch was einfällt …«
Momo stand auf und schob die Lippe unglaublich weit vor. »Was ist denn nun mit der Koks-Sache …?«
»Keine Ahnung. So läuft’s eben. Man zieht sich ein paar Sachen rein, und wupp, sitzt du mal eben im Knast und chillst.«
Sie runzelte die Stirn. Wir verließen die Wohnung. Als die Tür hinter uns ins Schloss fiel, hörten wir, wie die Kette vorgelegt wurde. Rokko grinste mich an.
»Mann, hast du die Lippe gesehen?? Diese Frau gehört in einen Teich!« Er machte einen Karpfen nach. »Und Tarzan erst … Hast du die Anabolikapickel auf seinen Schultern gesehen?« Er schüttelte den Kopf. »Mann, noch keinen Tag hier, und wir könnten bereits mehrere Drogenringe sprengen.« Ich nickte bloß. Als wir in die Hitze hinaustraten, bekam ich Kopfschmerzen. Ich fühlte mich, als wäre ich seit Tagen auf den Beinen, dabei war gerade erst Mittag. Ich folgte Rokko zum Wagen, während er gut gelaunt Optionen für Momos Lippe enthüllte. Als wir den GT erreichten, lehnte ich mich dagegen und versuchte, tief durchzuatmen. Rokko musterte mich über das Wagendach.
»Bist du sicher, dass du das alles wirklich wissen willst?«
Ich klapperte mit dem Türgriff. Er bewegte sich nicht.
»Mann, sie war ewig weg, und du weißt, wie sie aussieht, klar hatte sie in der Zwischenzeit ein paar Typen. Sogar du hattest Frauen. Willst du echt alles wissen?«
Ich klapperte noch mal am Türgriff. Er rührte sich immer noch nicht. Mein Gesicht brannte wie nach einem Tag in der Sonne. Die Vorstellung von Nele in einem Schrank … Dennoch hatte sie weder Mor noch mich angerufen. Hatte sie wieder einen Filmriss gehabt? Aber man wachte doch nicht im Schrank auf und dachte sich nichts dabei. Wobei … nach einem Gelage mit Rokko war ich mal unter
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