Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Nele Paul - Roman

Titel: Nele Paul - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Birbaek
Vom Netzwerk:
meinem Bett aufgewacht und hatte keine Ahnung, wie ich da hingekommen war. Vielleicht vertrug sie einfach keinen Alkohol. Klar.
    Während mir weitere Möglichkeiten durch den Kopf rauschten, holte ich mein Handy aus der Tasche und rief Mor an. Es klingelte fünfmal, bevor sie ranging und mir verriet, dass sie zu Hause am Herd stand und Nele mit Anita noch oben an der Villa war, und ja, es gehe ihr gut, sie habe sie eben noch gesehen. Ich küsste in den Hörer, unterbrach und atmete durch. Rokko kam um den Wagen herum und fragte mich, ob alles okay wäre. Ich stimmte dem zu. Meine Stimme klang komisch. Ich sah zu Momos Wohnung hoch. Neben der Terrasse war ein weiteres Fenster, und aus dem schaute die obere Hälfte eines Kopfes hervor. Als Tarzan merkte, dass ich zu ihm hochsah, ging der Kopf in Deckung. Ich nahm das Handy und wählte die nächste Nummer. Es klingelte, bis die Mailbox ansprang. Ich wählte noch mal. Diesmal ging sie kurzatmig ran. Im Hintergrund bellte November.
    »Na, endlich!«, lachte sie. »Hab mir schon Sorgen gemacht, wieso ich heute keine SMS bekomme. Ich dachte, du wärst mit ’ner Kellnerin durchgebrannt.«
    Als ich ihre Stimme hörte, lief mir ein Schauer über die Haut.
    »Hatte viel zu tun. Wie läuft’s bei euch?«
    »Gut, wir fangen gleich an zu streichen.«
    »Ich liebe dich«, sagte ich.
    Daraufhin blieb sie ein paar Augenblicke still.
    »Danke«, flüsterte sie. »Das ist so schön zu hören, aber wieso sagst du mir das am Telefon?«
    »Konnte nicht warten.«
    »Sagst du es mir bitte heute Abend noch mal?«
    »Ja.«
    »Versprochen?«
    »Ja.«
    Wir schwiegen. November hörte auf zu bellen. Jetzt hörte man die Singvögel im Garten. Eine Amsel beschwerte sich über irgendwas. Jemand rief Neles Namen, und nachdem sie mir versprochen hatte, mir später zu zeigen, wie sehr sie mich liebt, beendeten wir das Gespräch. Rokko warf mir einen Blick zu. Ich wählte wieder. Es klingelte zweimal, dann gickelte Mor in den Hörer.
    »Du wirst noch so anhänglich wie mit fünf. Weißt du noch, wie du mir immer nachgelaufen bist? Wie eine kleine Ente warst du. Quak, quak, quak, immer hinter mir her.«
    »Mor?«
    »Ja, Schatz?«
    »Ich liebe dich.«
    Sie lachte ein fröhliches, überraschtes Lachen.
    »Das ist lieb von dir.«
    »Und ich bin stolz auf dich«, sagte ich. »Ich kenne niemanden, der Rückschläge besser wegsteckt als du. Du bist mein Vorbild. Das wollte ich dir schon lange sagen.«
    Ich hörte ihren Atem.
    »Paul, was ist mit dir?«, fragte sie besorgt.
    Was war mit mir? Was war mit der Welt? Ich sehnte mich danach, mit den beiden im Garten unter dem Schirm zu sitzen und über die Felder zu schauen.
    Ich beruhigte Mor, küsste in den Hörer und unterbrach die Verbindung.
    Rokko musterte mich.
    »Nach Hause?«
    Ich nickte. So schnell wie nur möglich. Doch auf dem Rückweg gerieten wir in einen Stau. Man kam nur im Schritttempo voran, dennoch war der Verkehr laut und hektisch, und die Luft stank nach Abgasen. Wir rollten in ruckartigen Schüben daher. Rokko nutzte die Gelegenheit, rief auf dem Revier an und atmete erleichtert auf. Hundt war heute nicht im Kabuff gewesen, und so war unsere Abwesenheit und Gernots Doppelschicht nicht aufgeflogen. Ich nickte. Egal. So ziemlich alles. Ich fühlte mich platt. Nele. Im Schrank. Wovor hatte sie bloß so viel Angst gehabt?
    Rokko schlug mir auf die Schulter.
    »Mann, jetzt zieh nicht so eine Fresse. Sie ist zu dir zurückgekommen. Das ist alles, was zählt.«
    Ich musste fast lächeln.
    »Wer hätte gedacht, dass du mal was Schlaues sagst.«
    »Na, ich!«
    Er grinste mich an, entdeckte eine Lücke auf der Nebenspur und erklärte der Stadt den Krieg.

    Rokko schubste mich aus dem Wagen und erklärte mir, dass ein Kratzer genügte, um die Töle frühzeitig in die Hundehölle zu bringen, dann raste er schotterspritzend vom Hof. Ich blieb stehen und sah mich um, doch November kam nicht. Das wurde langsam zur Gewohnheit.
    Oben bei der Villa wuselten Menschen herum. Ich erkannte Bennis BMW, ein paar Mofas und Anitas Motorrad. Einer der Jungs entdeckte mich und winkte mir zu. Ein anderer machte es ihm nach. Ich winkte zurück wie John-Boy Walton und ging den Hügel hoch. Als ich das Grundstück erreichte, kam mir November mit fliegenden Ohren entgegen und sprang winselnd an mir hoch. Ich sank auf die Knie und umarmte ihn.
    »Ich dich auch, Süßer, ich dich auch.«
    Sein Fell war weich und sauber. Mor oder Nele mussten ihn gewaschen und gebürstet haben.

Weitere Kostenlose Bücher